Für einen Wandel der ärztlichen Fortbildungskultur: Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte MEZIS e. V. zieht nach der Aufgabe des CME-Anbieters Omniamed ein gemischtes Resümee
Red., Blickpunkt-Ausgabe 1/2019
Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf das Gesundheitswesen, insbesondere auch auf den Bereich der Ärztefortbildungen, bleibt ungebrochen. Gleichzeitig sieht sich die Initiative durch positive Signale aus den Landesärztekammern sowie der Aufgabe des führenden kommerziellen CME-Anbieters Omniamed auf ihrem Weg bestätigt und startet das Aktionsbündnis Fortbildung 2020 – ein Bündnis für unabhängige ärztliche Fortbildung.
Handlungsbedarf im Bereich gesponserte Fortbildungen
Hochpreisig gesponserte Ärztefortbildungen, eine Leitlinien verfassende Autorenschaft mit finanziellen Verflechtungen zu pharmazeutischen Unternehmen, Anwendungsbeobachtungen, die das Verschreibungsverhalten der Ärzteschaft steuern, gezielte Marketingkampagnen, die Erkrankte verunsichern und Ängste schüren – angesichts dieser Zustände forderte die Ärztliche Geschäftsführerin von MEZIS, Dr. med. Christiane Fischer, unlängst anlässlich des Welt-Antikorruptionstages Organe der ärztlichen Selbstverwaltung und medizinischen Fachgesellschaften auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um „unserer berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit Geltung zu verschaffen!“ Als Beispiel nannte sie unter anderem die Fortbildungsordnungen der Ärztekammern, die nach wie vor das Sponsoring von Ärztefortbildungen erlauben. Diese allerdings, so Dr. Fischer, dienten allein dem Marketing der Industrie und nicht der objektiven Information für die Ärzteschaft. Von Pharmafirmeninteressen geleitete Fortbildungen verhinderten damit eine gute Patientenversorgung, führten generell zu einer Fehlversorgung und nachweislich zu höheren Arzneimittelausgaben.
Interessant war die Feststellung, dass zwischen 1980 und 2004 durch verbesserte Diagnosemöglichkeiten der Diagnosezeitpunkt um sechs bis sieben Jahre vorverlegt wurde und durch geänderte Diagnosekriterien leichte Verläufe mit eingeschlossen werden. Seitdem hat sich die Zahl diagnostizierter MS-Betroffener in Deutschland verdoppelt!
MS-Register sind jedoch in ihrer Aussagekraft eingeschränkt, weil sie lediglich eine Korrelation, aber keine Kausalität darstellen. Den Unterschied erkläre ich mir als medizinischem Laien folgendermaßen:
Kindern erzählte man früher gerne, dass der Storch die Kinder bringe. Da es in Deutschland immer weniger Störche gibt, ist es klar, dass die Geburtenrate sinken muss, logisch, oder? Tatsächlich gibt es eine Korrelation zwischen der sinkenden Anzahl Störche in Deutschland und der abnehmenden Geburtenrate in Norddeutschland, aber das ist kein Beweis für eine Abhängigkeit, sprich Kausalität, zwischen den beiden Sachverhalten.
Positive Signale aus der Landesärztekammer führen zur Aufgabe von Omniamed
Aber es gibt auch positive Signale. Mit der Omniawatch-Recherche (www.mezis.de/omniawatch) hatte MEZIS im Sommer 2018 aufgedeckt, wie die pharmazeutische Industrie in deutschlandweiten Ärztefortbildungen, zertifiziert durch die Landesärztekammern, mit bezahlten Referierenden unverhohlen für ihre Produkte warb. Als erste Landesärztekammer zog Baden-Württemberg im Herbst 2018 dann die Konsequenzen und erkannte den Teilnehmenden nachträglich die für sie so wichtigen Fortbildungspunkte, sprich die CME-Zertifizierung, ab. Als direkte Folge davon hat Omniamed im Februar 2019 seine Geschäftsaktivitäten mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Esanum tritt in Omniameds Fußstapfen
Die Firma Esanum, nach eigenen Angaben „Europas führendes Ärztenetzwerk“, tritt nach der Aufgabe Omniameds an dessen Stelle und will in 2019 mit dem „Hausärztetag“ bundesweit nahezu identische CME-Fortbildungsveranstaltungen anbieten. Grund genug für die CME-Arbeitsgruppe von MEZIS, das Veranstaltungskonzept von Esanum zu analysieren. Das Fazit von Dr. Fischer: „Die Esanum-Akademie kopiert die Omniamed-Veranstaltungen konzeptionell und hat bereits in der Auftaktveranstaltung mehr als die Hälfte der Omniamed-Referenten mit meist identischen Vorträgen direkt übernommen.“ Dr. med. Niklas Schurig, MEZIS Vorstandsmitglied, fordert daher: „Die Ärztekammern sollten in allen Bundesländern, in denen Esanum auftreten will, wie die Baden-Württemberger entscheiden und auch Esanum die Rote Karte zeigen, um endlich die interessenkonfliktfreie ärztliche Fortbildung zu stärken.”
Aktionsbündnis Fortbildung 2020: Strengere Regeln für Ärztefortbildungsangebote
MEZIS möchte mit ihrem bundesweiten Aktionsbündnis Fortbildung 2020 unabhängigen Veranstaltern eine Plattform bieten, andere ermutigen, sich kritisch und objektiv zu informieren und so zum Ausbau eines interessenkonfliktfreien CME-Fortbildungsangebots beitragen. Bisher gewonnene Partner wie unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), HD Med oder Libermed haben strenge Regeln für die Finanzierung ihrer Veranstaltungen, für die Unabhängigkeit der Referierenden und der vermittelten Inhalte formuliert. Die neue Aktionsbündnis-Webseite www.cme-sponsorfrei.de wurde dazu gerade freigeschaltet und bietet Interessierten ein umfassendes Informationswerkzeug zur Organisation und Durchführung pharmafreier Fortbildungen. (Red.)
MEZIS Ansprechpersonen
Dr. med. Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin MEZIS, E-Mail: fischer@mezis.de, Telefon: 01575 5575135; Dr. med. Niklas Schurig, Vorstand MEZIS, E-Mail: schurig@mezis.de, Telefon: 0175 8819113.
Quellen
- www.mezis.de/bestechung-und-bestechlichkeit-im-gesundheitswesen-es-bleibt-noch-viel-zu-tun/
- www.mezis.de/fuehrender-kommerzieller-cme-anbieter-omniamed-gibt-auf/