Gesundheit für Alle!
Das People’s Health Movement Deutschland
Christiane Fischer, Blickpunkt-Ausgabe 02/2020
Das People’s Health Movement (PHM) Deutschland ist Teil einer internationalen Bewegung, die es seit dem Jahr 2000 in 70 Ländern gibt. Es knüpft an die Tradition politischer Gesundheitsbewegungen im globalen Kontext an und fordert auf Grundlage der Gesundheitscharta der Menschen das Recht auf den höchstmöglichen Gesundheitszustand für alle ein. Die MSK e. V. ist seit März dieses Jahres Mitglied der Bewegung.
Der Beginn des People’s Health Movement
Als Ende 2000 1400 Menschen aus aller Welt in Bangladesch zu einer ersten Versammlung, der People’s Health Assembly (PHA), zusammenkamen, war dies der Start einer globalen Bewegung für das Menschenrecht auf den höchstmöglichen Gesundheitszustand, dem People’s Health Movement. Seitdem wird alle vier Jahre auf verschiedenen Kontinenten eine PHA veranstaltet, bei der sich viele tausend Aktivist*innen austauschen und neue Strategien für ihre Länder entwickeln.
Ziel
Das PHM hat das Ziel, die Erklärung von Alma-Ata umzusetzen, in der die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1978 Gesundheit zu einem verbindlichen Menschenrecht (Gesundheit für Alle) erklärte. Soziales, psychisches und körperliches Wohlbefinden wird hier verknüpft mit entsprechenden politischen, sozioökonomischen und ökologischen Bedingungen. Der höchstmögliche Gesundheitszustand schließt demnach globale Gesundheit, den Zugang zu Medikamenten, Gesundheitsdiensten und Maßnahmen gegen die Klimakrise mit ein.
Strukturelle Ursachen von Ungerechtigkeit und Ungleichheit sollen durch geeignete Strategien und Projekte – von der Basis ausgehend – schrittweise behoben werden.
Universelle Menschenrechte sind die ethische Grundlage unseres Handelns. Sie haben Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen und Verträgen. Das Menschenrecht auf den höchstmöglichen Gesundheitszustand wird in § 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in § 12 und § 15 des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aufgeführt und ist in weiteren internationalen Menschenrechtsverträgen niedergelegt. Gemäß der verbindlichen UN-Interpretation schließt dies das Recht auf Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten, Gesundheitsversorgung sowie zu Forschungsergebnissen ein.
Die Gesundheitscharta der Menschen
Die Gesundheitscharta der Menschen, die People’s Charter for Health (PCH), wurde auf der ersten PHA als Basisdokument verabschiedet und fordert Bedingungen, die ein Leben in Gesundheit ermöglichen: den gerechten Zugang zu Ressourcen und Wohlstand und ein Leben ohne Krieg und Gewalt, ohne Naturzerstörung und Diskriminierung kultureller, sozialer und ethnischer Minderheiten. Sie fordert die Menschen auf, sich einzumischen und Verhältnisse dort zu ändern, wo sie ein gesundes Leben verhindern. Die Gesundheitscharta ist der Konsens aller Menschen, die sich zum PHM zugehörig fühlen. Einzelpersonen oder Organisationen können sie unterzeichnen, wenn sie dem Netzwerk beitreten möchten.
Das People’s Health Movement Deutschland
Das PHM Deutschland ist eine nationale deutschsprachige Gruppe (auch Circle), die am
22.3.2020 gegründet wurde. Die MSK e. V. ist eines ihrer Gründungsmitglieder und ihr Vorstandsvorsitzender Bernd Meixner auch hier im Vorstand tätig.
Die Schwerpunktziele des PHM Deutschland sind: der Einsatz für eine von der Pharmaindustrie unabhängige Selbsthilfe, der Kampf gegen irrationale Medikamente, Patente auf Arzneimittel und Arzneimittelhöchstpreise, die Behandlungen Nicht-Versicherter und die Beseitigung der Klimakrise.
Diese Ziele werden von den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen der Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V. (MSK), den Universities Allied for Essential Medicines (UAEM), Misereor, Brot für die Welt, dem Welthaus Aachen, der Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) oder der ALZheimer-ETHik e. V. getragen und gelebt.
Global denken – lokal handeln
Seit dem Jahr 2000 setzt sich das People’s Health Movement erfolgreich für seine verschiedenen Ziele auf den Kontinenten ein. So gelang es etwa in Indien im Rahmen der Kampagne für das Recht auf Gesundheitsversorgung, breite gesellschaftliche Bündnisse für gemeinsame politische Aktivitäten zu mobilisieren. In Lateinamerika werden die Themen globaler Rohstoffraub, Gesundheitsschäden durch verstärkten Ressourcenabbau und Zerstörung indigener Lebenswelten miteinander verbunden, und das PHM Afrika legt seinen Schwerpunkt auf den Zugang und die Verfügbarkeit einer universellen Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage, UHC). Im Rahmen nationaler Regierungsprogramme und -strategien (etwa in Ghana, Kenia, Uganda oder Südafrika) geht es um die effiziente Bereitstellung und Finanzierung von qualitätsvollen Gesundheitsleistungen und Medikamenten, zu denen auch sehr arme Bevölkerungsteile flächendeckend und gleichberechtigt Zugang haben sollen. Die Unterstützung auf Gemeindeebene (etwa durch Dorfgesundheitsarbeiter*innen) spielt dabei eine wichtige Rolle.
Das PHM Europa konzentriert sich vor allem auf die Problembereiche, die die Privatisierung von Gesundheit und Gesundheitsleistungen seit Jahren mit sich bringen. Die Auswirkungen einer rigorosen Sparpolitik auf den gleichberechtigten Zugang zu Leistungen werden (etwa im Rahmen von Medienkampagnen) ebenso dokumentiert wie solidarische Aktionen auf Gemeindeebene (etwa zur Vermeidung der Schließung dringend benötigter Krankenhäuser) unterstützt. Wie auf allen anderen Kontinenten gibt es auch hier in einigen Ländern einzelne PHM Circles, etwa in Großbritannien, Frankreich und jetzt auch in Deutschland.
Weltweite Aktivitäten
Flankierend hierzu kann sich das People’s Health Movement auch auf internationaler Ebene Gehör verschaffen und eine solidarische Gesundheitspolitik einfordern. So werden etwa im Rahmen des Projekts „WHO Watch“ die Beschlüsse der WHO auf unterschiedlichen Ebenen hinterfragt, kritisch kommentiert und auf die Einflussnahme von Geldgebern aufmerksam gemacht. Das PHM verfasst auch den alternativen Weltgesundheitsbericht Global Health Watch (GHW), der online kostenlos heruntergeladen werden kann.
Ebenso ermöglicht das 2005 ins Leben gerufene Nachwuchsförderprogramm „International People’s Health University“ (IPHU) Gesundheitsaktivist*innen aus der ganzen Welt, sich in
10-tägigen Kursen und Diskussionsforen auszutauschen und weiterzubilden.
Weitere Informationen
Global Health Watch (GHW), unter www.ghwatch.org.
People’s Health Movement International, unter www.phmovement.org.