Die Life SMS-Methodik: Ein Konzept zum eigenverantwortlichen Umgang mit Multipler Sklerose
Anno Jordan, Jörg Spitz, Blickpunkt-Ausgabe 02/2018
Das Projekt Life-SMS (Lebensstil-Strategien bei MS) betrachtet das Thema MS unter einem systemischen Ansatz. Auf Basis verfügbarer wissenschaftlicher Studien zum Themenkomplex Lebensstil, Umwelteinflüsse und Stabilisierung des Systems Mensch – speziell des Immunsystems – wird eine Methodik entwickelt, die unabhängig von und kompatibel mit jeglichen medikamentösen Therapien ist. Die Life-SMS-Methodik eröffnet Betroffenen die Möglichkeit, eigenverantwortlich mit der Krankheit umzugehen und das Dogma der Unheilbarkeit zu überwinden.
Einleitung
Wie alle Leser sicher wissen, ist die Multiple Sklerose (MS) eine entzündliche Krankheit des zentralen Nervensystems des Gehirns und des Rückenmarks, die mit Entmarkungsherden (Schädigung der Markscheiden der Nervenfasern) einhergeht. Da diese Schädigungen von Patient zu Patient unterschiedlich verteilt und ausgeprägt sind, sind die damit verbundenen Symptome ebenso unterschiedlich ausgeprägt und stark. Die mit der MS verbundenen Auswirkungen auf die Lebensqualität reichen von leichten Einschränkungen bis hin zur fortschreitenden Behinderung. Wichtig für die Betroffenen ist oft die Frage nach der Krankheitsentstehung und immer die damit verbundene Frage nach den Behandlungsmöglichkeiten. Heute wird die MS gemeinhin als Autoimmunerkrankung betrachtet, bei der das fehlprogrammierte Immunsystem körpereigene Zellen angreift und zerstört. Unabhängig davon gilt aber, dass die fehlerhafte Programmierung des Immunsystems eine oder mehrere Ursachen haben muss, die sich dann in Form einer unerwünschten (Auto-)Immunreaktion auswirken. Im Unterschied zu einer Computerprogrammierung läuft die Ausbildung des Immunsystems evolutionär und über lange Zeiträume ab. Sie wird bestimmt durch den Kontakt mit der Umwelt, den individuellen Stoffwechsel, die genetische Disposition des Individuums und die Funktion des Gehirns selbst.
Das Projekt Life-SMS
Ausgelöst durch die eigene MS-Diagnose im Jahr 1999 hat der Notfallmediziner Prof. George Jelinek vor circa 16 Jahren in Australien ein Projekt unter dem Titel „OMS – Overcoming Multiple Sclerosis“ ins Leben gerufen. In diesem Projekt wurden seit dieser Zeit die Zusammenhänge zwischen Lebensstilumständen und MS untersucht. Inzwischen hat sich daraus eine Methodik etabliert, die eine Vielzahl von MS-Patienten aus der vermeintlichen Ausweglosigkeit der Erstdiagnose befreit und selbst Schwerbetroffene in eine normale Lebenswirklichkeit zurückgeholt hat. Die Wirksamkeit dieser Methodik wurde inzwischen eindrucksvoll belegt (Hadgkiss u. A., 2012: Health-related quality of life outcomes at 1 and 5 years after a residential retreat promoting lifestyle modification for people with multiple sclerosis, in: Neurol Sci. DOI: 10.1007/s10072-012-0982-4.). Im Gegensatz zu allen bekannten pharmakologischen Behandlungsformen verbesserte sich die Bewertung zur Gesamtlebensqualität der Betroffenen (HRQOL) nach 5 Jahren um knapp 20 Prozent.
Das Projekt Life-SMS (Lebensstil-Strategien bei MS) baut auf dieser Methodik auf und entwickelt sie weiter. Eine Besonderheit des Life-SMS-Netzwerks ist die Zusammenarbeit von Betroffenen und Nicht-Betroffenen mit entsprechendem fachlichem Hintergrund. Das Wissen um die elementaren Zusammenhänge zwischen Lebensstileinflüssen und Krankheitsaktivität befreit die Patienten aus ihrer „Opferrolle“ und gibt ihnen die Chance, aktiv auf ihre Gesundheit Einfluss zu nehmen.
Hintergrund
Die Häufigkeit der MS hat gerade auch in den letzten 30 bis 40 Jahren signifikant zugenommen. Inzwischen geht man alleine in Deutschland von 240.000 MS-Erkrankten aus. Bemerkenswert ist, dass die Entstehung und die Verbreitung der MS eng mit der industriellen Entwicklung und der Urbanisierung in den letzten 200 Jahren zusammenhängen. An dieser Stelle setzt das Projekt Life-SMS konkret an: Eine Reprogrammierung des Immunsystems durch die konsequente Minimierung von Schadeinflüssen, die Stärkung gewünschter immunologischer Reaktionen und die Einleitung von Maßnahmen, die die Regeneration der Zellen unterstützen. Dieser ganzheitliche Ansatz wirkt sich sowohl auf den Verlauf der Multiplen Sklerose aus, als auch auf den Ausbruch oder das mögliche Fortschreiten anderer chronischer Krankheiten (Ko-Morbiditäten). Dies ist bei der MS ein entscheidender Faktor. So ist zum Beispiel eine vaskuläre (die Blutgefäße betreffende) Ko-Morbidität eng mit einem signifikanten Risiko für eine beschleunigte Krankheitsprogression verbunden. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und dem Fortschreiten der Erkrankung. Selbstverständlich sind Lebensstilmaßnahmen in vielen Fällen alleine nicht ausreichend und müssen Hand in Hand mit medizinischen und pharmakologischen Maßnahmen betrachtet werden. Dies gilt vor allem für Akutphasen und Phasen, in denen das Gleichgewicht des Immunsystems massiv gestört ist.
Schutzfaktoren und Schadfaktoren
Wenn man heute von Prävention und Lebensstilmaßnahmen spricht, liegt der Schwerpunkt meistens in der Vermeidung von Schadfaktoren wie Tabakrauch, Umweltgifte (Pestizide und Herbizide), Feinstaub von Industrie und Verkehr, Medikamente und Drogen, Strahlenbelastung (Elektrosmog, Radioaktivität und exzessive Sonnenbestrahlung) sowie fehlende körperliche Aktivität. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass der Körper eine enorme Kompensationsfähigkeit aufweist, wenn er über genügende Schutzfaktoren bzw. Lebensquellen verfügt. Und genau hier liegt das Problem. Durch technischen Fortschritt und gesellschaftliche Entwicklungen sind zahlreiche Schutzfaktoren für unseren Körper aus unserer Lebenswelt verschwunden, ohne dass wir uns dessen bewusstgeworden sind.
Wenn durch unseren Lebensstil die Zahl der ursprünglichen Lebensquellen immer weiter abnimmt und die Zahl der Schadfaktoren weiter zunimmt, wird irgendwann auch das hochkomplexe und extrem belastbare „System Mensch“ mit der Belastung nicht mehr fertig und das Immunsystem läuft aus dem Regelkreis. Autoimmunerkrankungen wie MS sind nur eine der möglichen Folgen. Mit der Doppelstrategie: (Wieder-)Vermehrung von Schutzfaktoren und Zuführung geeigneter Ressourcen kann es auch in den Fällen, in denen die Krankheit schon ausgebrochen ist, gelingen, dem Körper die optimale Unterstützung für Genesung und Stabilisierung zur Verfügung zu stellen.
Die Life-SMS-Methodik
Basierend auf diesen Grundüberlegungen haben sich fünf Bereiche herauskristallisiert, die für diesen Stabilisierungs- und Gesundungsprozess entscheidend sind. Das schematische Bild zeigt deutlich, dass eine stabile Gesundheit und Gesundung nur zu einem sehr geringen Teil von der medikamentösen Behandlung der chronischen Erkrankung abhängen kann. Aus der Vielzahl der Faktoren haben sich fünf wesentliche Säulen für die Überwindung der MS als besonders wichtig herausgestellt
Sonne und Vitamin D
Eine wesentliche Änderung, die die industrielle Revolution im Verhältnis des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung mitgebracht hat, war die drastische Reduktion der Aufenthaltsdauer im Freien und damit die Reduktion der auf die nackte Haut aufgebrachten Sonneneinstrahlung per Zeiteinheit und insgesamt. Diese reduziert sich bei einem heutigen „Büromenschen“ auf wenige Minuten pro Tag. Die Folgen sind gravierend: Erstens leiden heute mindestens 70 Prozent der Deutschen an einem gravierenden Vitamin D-Defizit mit Blutserumwerten unter 20 ng/ml, was entscheidenden Einfluss auf die Ausbildung einer Vielzahl von Krebsarten, von Herz-Kreislauf-Krankheiten, von Osteoporose, von Atemwegserkrankungen sowie von verschiedensten Autoimmunerkrankungen hat. Zweitens ist die Sensitivität der Haut aufgrund des geringen Gewöhnungseffekts gegenüber der Sonneneinstrahlung deutlich erhöht (Sonnenbrand, weißer Hautkrebs, Melanome) und drittens werden die anderen positiven Einflüsse des Sonnenlichts bzgl. verschiedener hormoneller Vorgänge z. B. der Melatonin-Serotonin-Balance unterdrückt. Vitamin D ist auf vielfältige Art unerlässlich für Immunsystem und Zellwachstum. Eine Unterversorgung gilt als Risikofaktor bei Autoimmunerkrankungen und so auch bei Multipler Sklerose. Aktuelle Reviews unterstreichen diese Relevanz eindrucksvoll (Pierrot-Deseilligny, Souberbielle, May, 2017: Vitamin d and multiple sclerosis: An update).
Ein entscheidender Punkt für die Beachtung und Optimierung des Vitamin-D-Spiegels ist die Korrelation zwischen Vitamin-D-Spiegel und Interferon-β-Gabe in Bezug auf die Schubhäufigkeit. Eine australische Gruppe konnte nachweisen, dass die Schubwahrscheinlichkeit um bis zu einem Faktor 2 steigt, wenn der Vitamin–D-Blutspiegel bei einer Behandlung mit Interferon-β unter 20 ng/ml liegt. Oberhalb dieses Vitamin-D-Wertes verstärken sich die immunmodulierenden Wirkungen von Interferon-β. Ein fast identisches Verhalten konnte auch bei der Behandlung mit Natalizumab (Handelsname: Tysabri®) nachgewiesen werden.
Säule 1: Patienten sollten versuchen, wieder mehr Zeit – mit möglichst großer unbedeckter Hautoberfläche – im Freien bei moderater, aber ungefilterter Sonneneinstrahlung zu verbringen. Sport ist zum Beispiel ein probates und oft auch angenehmes Mittel zur Zweckerreichung. Sonnenbrände sind aber in jedem Fall zu vermeiden. Fehlt Sonneneinstrahlung, ist eine Supplementierung mit Vitamin D ein einfaches und preiswertes Mittel, diesen Mangel auszugleichen.
Ernährung & Mikronährstoffe
Es ist heute in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen, dass zahlreiche traditionelle Lebensmittel (Gemüse, Obst, Pilze, Gewürze) Inhaltsstoffe enthalten, die einen direkten Einfluss auf die Funktion des Immunsystems haben und antikarzinogen bzw. entzündungsdämmend wirken (Mikronährstoffe, Antioxidanten und Spurenelemente). Leider essen wir heute nur noch zu 30 Prozent das, was unsere Vorfahren einmal gegessen haben, und insofern besteht in Bezug auf diese Nahrungsbestandteile zum Teil ein erheblicher Mangel (z. B. Selen und Zink oder Folsäure). Hinzu kommt eine speziell im Zuge der industriellen Revolution ernährungsbedingt veränderte Zusammensetzung der Blutfette (z. B. Verhältnis Omega 6/Omega 3), deren Relation sich in Richtung „Entzündungsförderung“ verschoben hat. In der Untersuchung und dem Verständnis dieser Zusammenhänge liegt ein riesiges Potenzial Krankheitssymptome zu vermindern und den Heilungsprozess einzuleiten.
Ein weiterer kritischer Faktor ist die verbreitete Zunahme des metabolischen Syndroms und der Insulinresistenz in der Folge der Überflutung mit Zucker und einfachen Kohlenhydraten (jeder Deutsche nimmt im Schnitt 35 Kilogramm Zucker pro Jahr zu sich!). Die Insulinresistenz und die daraus folgende mangelnde Glukoseverwertung in den Zellen hat für viele Aspekte der MS katastrophale Auswirkungen. Myelinisierungsprozesse sind gestört, der oxidative Stress nimmt zu, DNA und RNA-Synthesen sind gestört, die Zellapoptose steigt an und der Proteintransport und -abbau sind fehlerhaft. Eine fortschreitende Schädigung der Nervenzellen und der Myelinscheiden ist nicht zu vermeiden.
Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass der Schweregrad einer MS-Erkrankung (gemessen am EDSS-Wert) eindeutig positiv mit einer Insulinresistenz korreliert ist (Oliveira, Simão u. A., 2014: Disability in patients with multiple sclerosis: influence of insulin resistance, adiposity, and oxidative stress, in: Nutrition 30 (3), S. 268–273).
Säule 2: Ziel muss es also sein, dem Körper einen Nahrungscocktail zur Verfügung zu stellen, der speziell mit Blick auf das Immunsystem regulierende und entzündungsdämpfende Eigenschaften hat. Dies bedeutet unter anderem auch eine zucker- und kohlehydratarme Ernährung unter Verwendung gesunder Zucker und komplexer Kohlenhydrate. Falls individuell die Inhaltstoffe der regelmäßig verzehrten Lebensmittel dazu nicht ausreichen, sind diese ersatzweise zu ergänzen.
Darmflora und Mikrobiom
Die Themen Darmflora (Mikrobiota) und die genetische Gesamtheit der Darmbakterien (Mikrobiom) werden häufig im Hintergrund der Säule „Ernährung und Mikronährstoffe“ mit betrachtet. Inzwischen sind nicht nur wir, sondern eine zunehmende Zahl von Medizinern und Wissenschaftlern davon überzeugt, dass eine gestörte Darmflora einer der wesentlichen auslösenden Faktoren bei MS und anderen Autoimmunerkrankungen ist.
Der Darmtrakt trennt die Innenwelt von der Außenwelt. Jeder Leser nimmt mehr als 25 Tonnen von Fremdmaterial in Form von Nahrung zu Lebzeiten zu sich. In dieser Nahrung enthalten sind u.a. Bakterien, Viren und Parasiten. Die erste Verteidigungslinie gegen diese fremden Organismen ist die Darmwand. Die zweite Verteidigungslinie ist das komplexe Netzwerk von (Immun-)Zellen, die den Darmtrakt auskleiden. In der Tat wird geschätzt, dass sich über 70 Prozent des gesamten Immunsystems im Darmtrakt befinden. Wenn die Auskleidung des Darms Löcher hat und Betroffene einen „leaky gut“ („undichter Darm“) haben, was wissenschaftlich als intestinale Permeabilität bekannt ist, wandern Bakterien und unverdaute Nahrungsmittelpartikel durch die Darmwand und diese interagieren mit den Immunzellen. Die Forschung zeigt, dass die intestinale Permeabilität eine Schlüsselrolle bei der Autoimmunität spielt und dass es viele Ursachen für das „Leaky-Gut-Syndrom“ gibt. Dazu zählen Stress, Nahrungsmittelreaktionen (beispielsweise auf Weizen/Gluten), Infektionen und Toxine.
Warum gewinnt der Darm bzw. die Vielfalt der Darmbakterien so eine entscheidende Rolle?
Die Sache ist ziemlich komplex, aber in der Essenz gibt es drei notwendige Bedingungen für den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung: erstens eine genetische Anfälligkeit, zweitens externe Schadstoffe und Schadeinflüsse und drittens eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut. Das heißt, nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann eine Autoimmunerkrankung ausbrechen, sie muss es aber noch lange nicht.
Säule 3: Der Darm ist das größte Immunorgan unseres Körpers. Eine veränderte Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota und eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmbarriere sind Risikofaktoren für die Entwicklung und Progression der MS. Insofern steht am Anfang der Maßnahmen eine Aufnahme des „Florastatus“ mit Schwerpunkt auf die Leaky-Gut-Problematik, die mit dem behandelnden Arzt besprochen werden muss.
Sport & Training
Der dritte Sündenfall der industriellen Revolution ist der zunehmende Verzicht auf Bewegung. Unsere Vorfahren sind am Tag mindestens 20 Kilometer gelaufen, um etwas zu essen zu finden. Im Durchschnitt bewegen wir uns nur noch 600 bis 800 Meter pro Tag (also eine Reduktion um einen Faktor größer als 20). Neben den bekannten Effekten wie der verstärkten Neigung zur Fettleibigkeit oder der Zunahme von Herz-Kreislauf-Krankheiten hat die mangelnde Bewegung einen direkten Einfluss auf das Immunsystem: Entzündungsfördernde Botenstoffe werden im Körper vermehrt produziert bzw. zu wenig entzündungsdämpfende Botenstoffe bereitgestellt – das Gleichgewicht ist gestört – und entzündliche Erkrankungen sind somit weltweit auf dem Vormarsch. Auch wenn die Ergebnisse oft schwer interpretierbar sind, kann man davon ausgehen, dass Krankheitssymptome wie Fatigue, Paresen, Muskelschwäche und Spastizität mit einem personalisierten Trainingsprogramm erfolgreich behandelt werden können. Zudem ist bei der Multiplen Sklerose die Wechselwirkung zwischen neurophysiologischen und muskulären Vorgängen besonderer Beachtung wert. Das heißt, dass das Training nicht nur muskelstärkende Effekte hat, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit des Gehirns direkt verbessern helfen kann.
Säule 4: Hier gilt es, dem Körper trotz aller Einschränkungen, die eine MS-Erkrankung mit sich führt, ein intensives Maß an Bewegung und dies regelmäßig zu verordnen. Physiotherapie und individuelles Training sind also ein Muss!
Stressreduktion & psychisches Gleichgewicht
Bleibt noch der fünfte gezeigte kritische Faktor: negativer Stress und chronische Überlastung des Körpers und der Psyche. Auch hier hat die Evolution dem Menschen gezeigt, wie damit optimal umzugehen ist. Mentale Aspekte wie Entwicklung des künstlerischen Ausdrucks – sei es in Malerei, Bildhauerei, Musik, Tanz etc. – haben schon immer ein Gegengewicht zur rein materiell orientierten Beschaffung von Gütern oder Nahrungsmitteln gebildet. Glück und die Ausschüttung positiver Botenstoffe hängen vor allem mit innerer Ruhe, Selbstbewusstsein und Vertrauen in die Zukunft zusammen. Mittel, die Erlangung dieses Zustandes zu fördern, finden sich nicht nur im künstlerischen Ausdruck, sondern auch in der Meditation oder Kontemplation oder der schon erwähnten sportlichen Aktivität, vor allem in Zusammenhang mit einem intensiven Naturerlebnis.
Von allen Säulen ist dies wahrscheinlich die Säule mit dem höchsten Komplexitätsgrad und der größten Unschärfe. Nachgewiesen ist schon seit Langem, dass Schübe und stressreiche Lebensumstände eng miteinander zusammenhängen. Ansätze wie „Mindfulness Meditation“, Yoga, Qigong etc. sind heute schon ein fester Bestandteil einer interdisziplinären MS-Therapie. Der Einsatz von Yoga konnte beispielsweise signifikante Verbesserungen bei der typischen MS-Problematik Fatigue auch in einer randomisierten kontrollierten Studie eindeutig nachweisen (Nejati, Rahmani u. A., 2016: The effect of group mindfulness-based stress reduction and consciousness yoga program on quality of life and fatigue severity in patients with MS. Journal of caring sciences 5 (4), 325-335).
Säule 5 repräsentiert somit Maßnahmen, die einen Ausgleich zu negativem Stress herstellen und den Körper und die Psyche wieder in die notwendige Ausgewogenheit bringen. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass eine Stabilisierung und Gesundung ohne Beachtung der mentalen Faktoren nachhaltig nicht erfolgreich sein kann.Alle fünf Säulen haben ihren eigenen Stellenwert, wirken komplementär und kompensieren sich nur teilweise gegenseitig.
Der individuelle Maßnahmenkatalog bei MS: die Life-SMS-Mindmap
Der persönliche Maßnahmenkatalog zur Behandlung der MS ist aufgrund der spezifischen Lebenswirklichkeit eines jeden Betroffenen unterschiedlich und kann nicht verallgemeinert werden. Das Herausfinden der geeigneten Maßnahmen ist ein Forschungsprojekt für sich. Was dabei hilft, ist die intensive Beschäftigung mit den kritischen Faktoren, die den Krankheitsverlauf beeinflussen, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne, und die konsequente Abarbeitung dieser Themen. Das Life-SMS-Projekt hat dazu eine interaktive Landkarte – oder Mindmap – der bestimmenden Faktoren bei MS entwickelt, die sich kontinuierlich weiterentwickelt (http://lsms.info/index.php?id=174).
Mithilfe dieser Landkarte sind Betroffene und Interessenten in der Lage, die Faktoren zu identifizieren, die möglicherweise ausschlaggebend für ihre eigene Erkrankung sind. Zu allen Unterpunkten sind weitere Informationen und Detailbeschreibungen verlinkt. Die daraus folgenden konkreten Behandlungsschritte können dann entweder eigenständig umgesetzt werden oder, wenn es sich um medizinische und labortechnische Fachfragen geht, mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt besprochen werden. Wichtig ist, dass sich Betroffene dabei an Ärzte und Heilpraktiker wenden, die ganzheitlich und systemisch denken. Eine Auswahl solcher Therapeuten findet sich auch im therapeutischen Netzwerk des Life-SMS-Projektes (https://lifesms.blog/projektpartner/therapeuten/).
Weitere Informationen
Alle Informationen zu Life-SMS und zu den fachlichen Grundlagen sind über den Newsfeed: https://lifesms.blog/ und die Inhaltsplattform www.lsms.info online abrufbar. Das Projekt ist komplett privat finanziert und völlig unabhängig von der Pharmaindustrie. Es läuft unter der Trägerschaft der Deutschen Stiftung für Gesundheitsinformation und Prävention DSIGP. Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung, egal in welcher Höhe. Auch Zeitspenden in Form von Mitarbeit in spezifischen Projektthemen sind gerne gesehen. Spendenplattform: www.betterplace.org/de/projects/16807
Autorenprofile
Prof. Dr. med. Jörg Spitz ist Facharzt für Nuklearmedizin, Präventionsmediziner, Gründer der Deutschen Stiftung für Gesundheitsinformation und Prävention, Autor bzw. Herausgeber mehrerer Bücher zum Thema Vitamin D, Veranstalter der Konferenzen „Vitamin D-Update 2011/2013“ sowie der 1. - 5. Kongresse für menschliche Medizin, Frankfurt 2014 bis 2018, und Entwickler eines ganzheitlichen Präventionskonzepts, das auch für Multiple Sklerose geeignet ist. Er kümmert sich seit 2013 um die wissenschaftliche Koordination der Initiative Life-SMS. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Jörg Spitz, Akademie für menschliche Medizin GmbH, Krauskopfallee 27, 65388 Schlangenbad; E-Mail: js.amm@spitzen-praevention.de.
Dipl.-Physiker Anno Jordan studierte Kernphysik an der Universität Köln, hat langjährige und heute andauernde Tätigkeiten in IT- und Maschinenbauunternehmen inne, zusätzlich freiberufliche Beratertätigkeiten. Er kümmert sich seit 2013 um das Projektmanagement der Initiative Life-SMS. Ferner absolvierte er Fortbildungen in Neurobiologie, z. B. an der Universität Chicago 2014, und befasst sich mit Präventionsaspekten und Lebensstileinflüssen bei Autoimmunerkrankungen (u. a. auch der MS). Die Arbeit schließt den systemischen Blick auf das Immunsystem als nichtlineares komplexes adaptives System mit ein und greift auf Ansätze aus der Physik zurück. Korrespondenzadresse: Dipl.-Phys. Anno Jordan, Am Hauserbach 28, D-50169 Kerpen; E-Mail: a.jordan@dsgip.de.