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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Red., Blickpunkt-Ausgabe 01/2022

Unter den sogenannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) (§ 49 SGB IX) versteht man Leistungen zur beruflichen Rehabilitation oder zur Berufsförderung, die es Menschen mit Krankheiten und/oder Behinderungen trotz gesundheitlicher Einschränkungen ermöglichen sollen, erwerbsfähig zu bleiben und sich neue Berufschancen zu eröffnen. Je nach Leistung sind dafür die Agentur für Arbeit, Renten-, Unfallversicherungs- oder Eingliederungshilfeträger zuständig. Zu unterscheiden sind die LTA von den Förderungen, die sich ausschließlich an schwerbehinderte Menschen richten, wie die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX) und die Förderungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (SchwbAV), die in den nächsten Heften in eigenen Beiträgen vorgestellt werden sollen.

Voraussetzungen

Wenn der eigentliche Beruf aus gesundheitlichen Gründen so nicht mehr ausgeübt werden kann, können sogenannte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) beantragt werden (§ 49 SGB IX). Diese können allein oder auch ergänzend zu einer medizinischen Reha erfolgen. Ziel ist es, die Eingliederung ins Arbeitsleben zu erhalten oder wieder zu erreichen, die Beschäftigung langfristig zu sichern, die Folgen einer Behinderung zu mindern und den Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden. Mögliche Leistungsträger sind etwa die Rentenversicherung, die Unfallversicherung (etwa bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit), die Agentur für Arbeit, das Jugendamt oder die Eingliederungshilfeträger. Hier können etwa die Behindertenvertretung bzw. die Personalverwaltung beim Arbeitgeber weiterhelfen.

Persönliche und versicherungsrechtliche Voraussetzungen unterscheiden sich je Maßnahme und Kostenträger. Zunächst gilt:

  • Bei ersten Beeinträchtigungen, die die Beschäftigung gefährden, kommen nur medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit (sogenannte Leistungen zur Prävention) durch die Rentenversicherung infrage. Dazu reicht die Zahlung von mindestens sechs Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren vor Antragsstellung.
  • Für die umfangreichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollte die Erwerbsfähigkeit aufgrund einer körperlichen oder seelischen Erkrankung oder Behinderung bereits seit mehr als sechs Monaten gefährdet oder gemindert sein und durch die Leistung verbessert werden. Ein noch nicht festgestellter Grad der Behinderung ist dabei kein Ausschlusskriterium.
  • Die gesundheitliche Verfassung des Antragstellenden ist stabil genug, um an der gewünschten Maßnahme teilzunehmen. Eine Eignungsabklärung und/oder Arbeitserprobung (etwa eine Art Praktikum) hilft dabei einzuschätzen, welche Tätigkeiten zukünftig infrage kommen können.
  • Eine Mindestversicherungszeit ist erreicht/entsprechende Beiträge wurden eingezahlt. Für die Rentenversicherung sind das entweder 15 Jahre Pflichtbeiträge oder die Erfüllung der Voraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente (also mindestens fünf Jahre Versicherungszeit sowie innerhalb der fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung die Zahlung von Pflichtbeiträgen für mindestens drei Jahre).
  • Eine Teil-Erwerbsminderungsrente wird bereits bezogen oder soll in Zukunft bezogen werden.
  • Die berufliche Rehabilitation ist als Anschluss an eine medizinische Reha notwendig, damit diese erfolgreich beendet werden kann.
  • Etwaige Ausschlussgründe der unterschiedlichen Kostenträger (etwa Beamtenstatus) liegen nicht vor.

Ablauf

Die Leistungen werden von der betroffenen Person mithilfe eines LTA-Antrags (auch Reha-Antrag) beantragt. Ist der gewählte Kostenträger gar nicht für die Maßnahme zuständig (oft überschneiden sich auch Zuständigkeiten), so wird der Antrag innerhalb von zwei Wochen automatisch an die richtige Stelle weitergeleitet (die sogenannte Zuständigkeitsklärung). Innerhalb von drei weiteren Wochen muss der Antrag dann vom korrekten Kostenträger bearbeitet werden. Falls noch ein Gutachten zur Ermittlung des Reha-Bedarfs notwendig ist, muss dieses zwei Wochen nach Auftragserteilung vorliegen und nach zwei weiteren Wochen über den Antrag endgültig entschieden worden sein. Sind mehrere Kostenträger an der Leistung beteiligt oder mehrere Leistungen eines Kostenträgers angefragt, wird ein sogenanntes Teilhabeplanverfahren in die Wege geleitet, um die Leistungen bestmöglich zu koordinieren. Vom Antrag bis zum Bescheid können dann acht Wochen vergehen.
Sollte der Kostenträger mehr Zeit benötigen, muss er das begründen und den Tag der Entscheidung schriftlich ankündigen. Fehlt so eine Begründung oder ist sie nicht stichhaltig, gilt der Antrag als genehmigt (§ 18 SGB IX Abs. 3 f.).

Nach einem positiven Bescheid gibt es zunächst ein Erstgespräch (die Berufswegeplanung) mit den zuständigen Reha-Berater*innen, in das die persönliche Situation, der berufliche Werdegang und der regionale Arbeitsmarkt einbezogen werden. In der Folge sucht sich der/die Betroffene den geeigneten Reha-Anbieter (etwa Berufsförderungswerke bei außerbetrieblicher Umschulung und Ausbildung erwachsener Menschen mit Behinderungen oder vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation) aus, bei dem er/sie wiederum mit einer Bezugsperson des Trägers durch die Maßnahme begleitet wird. In der Regel handelt es sich bei den Leistungen um einen Zeitraum zwischen drei und 24 Monaten, in dem der/die Betroffene sozial- und unfallversichert ist und zusätzliche Leistungen erhält, die den Unterhalt sichern.
Wird der Antrag abgelehnt, besteht die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen nach der Zustellung des Bescheides schriftlich beim zuständigen Träger Widerspruch einzulegen und den Bescheid noch einmal objektiv prüfen zu lassen.

Um welche Leistungen geht es?

Bei LTA handelt es sich um Geld- und Sachleistungen an Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohte Menschen sowie Geldleistungen an Arbeitgeber.

Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes sowie zur Förderung der Arbeitsaufnahme

Hier geht es um die Auslotung der Möglichkeiten, den Arbeitsplatz an bisheriger Stelle zu erhalten (Neubeginn am angestammten Arbeitsplatz), nach geeigneten Lösungen andernorts zu suchen oder Menschen neu in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen. Der Rentenversicherungsträger in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit trägt dazu zeitlich befristet oder dauerhaft die folgenden Leistungen:

  • Eignungsabklärung und Arbeitserprobung (Feststellung gesundheitlicher Eignung oder das erste Sammeln von Erfahrungen im gewünschten neuen Arbeitsumfeld, etwa durch ein Praktikum);
  • Ausrüstungsbeihilfe (Kosten für Arbeitsausrüstung, Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen);
  • Berufliche Anpassung, Aus- und Weiterbildung (Umsetzung im Betrieb, Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes);
  • Unterstützte Beschäftigung (UB) (ein umfangreiches Konzept, das auf dauerhafte, reguläre, bezahlte Arbeit in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes unabhängig von Art und Umfang der Behinderung abzielt, auch dann, wenn ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis nicht erreicht werden kann);
  • Arbeitsassistenz (eine persönliche Unterstützung am Arbeitsplatz zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile);
  • Budget für Ausbildung/Budget für Arbeit (BfA) als Möglichkeit, anstatt einer Ausbildung oder Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (enthält Lohnkostenzuschuss für den Arbeitgeber und Betreuungsleistungen);
  • Gründungszuschuss für die Selbstständigkeit, um sich ein unabhängiges Betätigungsfeld zu schaffen;
  • Kraftfahrzeughilfe (als Zuschuss zum Kauf eines Autos, zum Führerschein oder zur behindertengerechten Ausstattung eines Autos, das dauerhaft benötigt wird, um zur Arbeit oder Ausbildung zu gelangen);
  • Fahrtkostenbeihilfe (für tägliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle, wenn die berufliche Wiedereingliederung ansonsten gefährdet wäre);
  • Trennungskostenbeihilfe (bei erforderlicher doppelter Haushaltsführung);
  • Übergangsbeihilfe (bei Arbeitsaufnahme bis zur ersten vollen Lohnzahlung. Die Übergangsbeihilfe wird in der Regel als Darlehen gewährt);
  • Umzugskostenbeihilfe (etwa für Transportkosten und Reise des Versicherten samt Familie, falls eine Arbeitsaufnahme am Wohnort unmöglich ist);
  • Wohnungshilfen (finanzielle Leistungen zur Beschaffung, Ausstattung oder Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung, um selbstbestimmt und eigenverantwortlich leben zu können. Es können verschiedene Leistungsträger zuständig sein.

Berufsvorbereitung und notwendige behinderungsbedingte Grundausbildungen

Hier geht es vornehmlich um Berufsvorbereitung einschließlich der wegen Behinderungen erforderlichen Grundausbildung. Darunter fallen etwa die blindentechnische Grundausbildung oder Vorbereitungsmaßnahmen für Gehörlose.

Berufliche Aus- und Weiterbildung

Maßnahmen zur Anpassung an den Beruf (etwa innerbetriebliche Qualifizierungen im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung), Ausbildung und Weiterbildung einschließlich des dafür erforderlichen Schulabschlusses.

Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) oder bei anderen Leistungsanbietern

Hier handelt es sich um zeitlich begrenzte berufsfördernde Maßnahmen in einer anerkannten WfbM, die Erstkontakt, berufsvorbereitende Bildung, Persönlichkeitsentwicklung oder Berufsbegleitung umfassen können.

Übernahme weiterer Kosten

Hier geht es um die Übernahme von Kosten, die mit beruflichen Reha-Leistungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, wie etwa Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, Lernmittel, Arbeitsausrüstung oder Unterkunft und Verpflegung etwa bei unzumutbar weiter Anreise).

Zuschüsse an den Arbeitgeber

Versicherte können bei den zuständigen Kostenträgern auch unterschiedliche Zuschüsse für den Arbeitgeber (§ 50 SGB IX) beantragen. Das sind etwa:

  • Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen;
  • Eingliederungszuschüsse;
  • Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb;
  • Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung;
  • Kostenübernahme für eine Umschulung, Aus- oder Weiterbildung im Betrieb;
  • Kostenübernahme für technische Veränderungen des Arbeitsplatzes.

Zuständigkeiten und Beratung

Auch wenn oft verschiedene Kostenträger für verschiedene Leistungen im Rahmen der LTA zuständig sind, gibt es immer einen sogenannten leistenden Rehabilitationsträger, der alle Reha-Leistungen koordiniert und als Ansprechpartner für Betroffene und andere Kostenträger fungiert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) hat zur ersten Orientierung ein Online-Verzeichnis mit Ansprechstellen für Rehabilitation und Teilhabe erstellt, das man nach regionalen Kriterien durchsuchen kann:
www.ansprechstellen.de/suche.html.

Quellen