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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Krankenbeförderung: Wer trägt die Kosten?

Anja Bollmann, Blickpunkt-Ausgabe 04/2024
Die Krankenbehandlung ist eine Leistung, die Versicherten von ihrer Krankenkasse zusteht. Nach § 11 Abs. 1 SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) haben Versicherte u. a. auch Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten und deren Verschlimmerung, zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung oder zur medizinischen Rehabilitation. Nicht immer sind Versicherte in der Lage, ihre Behandler aus eigener Kraft aufzusuchen. Dann stellt sich die Frage nach der Krankenbeförderung und insbesondere, wer die Kosten dafür trägt.

Einzelheiten der Kostenübernahme

Die Krankenbeförderung ist eine Nebenleistung zu einer von der Krankenkasse geschuldeten Hauptleistung, nämlich der Krankenbehandlung. Dementsprechend enthält das Krankenversicherungsrecht auch eine gesetzliche Regelung über die Krankenbeförderung. Sie ist mit der sehr allgemein gehaltenen Überschrift „Fahrkosten“ in § 60 SGB V zu finden. In fünf Absätzen ist hier bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Fahrkosten übernommen werden, für wen und für welche Fahrten, in welcher Höhe und für welches Transportmittel. Da das für die Praxis nicht ausreicht, gibt es die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten, kurz Krankentransport-Richtlinie (KT-RL). Darin geregelt sind die genauen Voraussetzungen, Bedingungen und Inhalte von Krankenfahrten, Krankentransporten und Rettungsfahrten, verordnet durch Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Vertragspsychotherapeuten.

Wichtig: Krankenbeförderung kann auch vom Krankenhaus z. B. im Rahmen des Entlassmanagements verordnet werden.

Aktuelle Anpassung in 2024

Die KT-RL wurde im September 2024 angepasst. Das war notwendig, da Krankenbeförderung inzwischen auch per Videosprechstunde und Telefonkontakt verordnet werden kann. Gerade Videosprechstunden gewinnen sowohl für Praxen als auch für Versicherte zunehmend an Bedeutung.

 Verordnung von Krankenbeförderung per Videosprechstunde/Telefonkontakt:

  • wenn der Patient oder die Patientin in der Praxis persönlich bekannt ist und sicher beurteilt werden kann, ob die medizinischen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch auf Krankenbeförderung bestehen (bei Zweifeln ist eine unmittelbare Untersuchung notwendig);
  • wenn die Authentifizierung der oder des Versicherten sichergestellt werden kann.

Wichtig: Eine Krankenbeförderung kann bei Vorliegen der Voraussetzungen verordnet werden, muss es aber nicht. Das bedeutet, dass kein Anspruch auf eine Verordnung per Videosprechstunde oder nach Telefonkontakt besteht.

Ambulante und stationäre Behandlung: Medizinische Notwendigkeit

In § 60 SGB V steht, dass die Kosten für Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten und stationären Behandlung von der Krankenkasse übernommen werden können. Da es sich um eine Nebenleistung zur Krankenbehandlung handelt, müssen die Fahrkosten im Zusammenhang mit einer Leistung der gesetzlichen Krankenkasse zwingend medizinisch notwendig sein.

Ob und wenn ja welches Transportmittel medizinisch notwendig ist, entscheidet der Arzt oder die Ärztin aufgrund des Gesundheitszustandes der oder des Versicherten und deren Gehfähigkeit. Dahinter steht das Gebot der Wirtschaftlichkeit, dass für alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in § 12 SGB V verankert ist. Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

Ist eine Genehmigung erforderlich?

In manchen Fällen muss der Krankentransport vorher von der Krankenkasse genehmigt werden. Das bedeutet, dass die Verordnung von dem Versicherten vorab der Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen ist. Handelt es sich allerdings um einen Notfall, kann die Verordnung auch nachträglich ausgestellt werden. Im Einzelnen:

Fahrten ohne vorherige Genehmigung

Fahrten zur tagesstationären Behandlung: In dieser neu geschaffenen Möglichkeit geht es um Fahrten zu einer stationären Behandlung im Krankenhaus, ohne dort zu übernachten. Die Patienten müssen dazu ihre Einwilligung erteilen und die Versorgung im häuslichen Umfeld muss sichergestellt sein. Voraussetzung ist weiter, dass Patienten täglich mindestens 6 Stunden im Krankenhaus überwiegend ärztlich oder pflegerisch behandelt werden.

Übernommenen werden aber nur die Kosten für die erste Hinfahrt mit dem medizinisch erforderlichen Transportmittel. Sollte es während der Dauer der tagesstationären Behandlung zu einem Notfall kommen, besteht auch Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Rettungsfahrt. Die Kosten der Pendelfahrten zwischen Wohnung und Krankenhaus und auch der Entlassfahrt aus der tagesstationären Behandlung werden nur übernommen für Versicherte, die im Sinne der Krankentransport-Richtlinie dauerhaft mobilitätseingeschränkt sind. Das gilt für Personen mit den Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) „Bl“ (Blindheit) oder „H“ (Hilflosigkeit) oder ab Pflegegrad 3.

Es ist gesetzlich geregelt, dass Krankenhäuser bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine teilstationäre Behandlung direkt die Krankenfahrten verordnen können.

Fahrten im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung: Hierunter fallen stationäre

  • Krankenhausbehandlungen;
  • medizinische Vorsorgeleistungen, medizinische Vorsorge für Mütter und Väter;
  • Entbindungen;
  • Hospizleistungen;
  • Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit;
  • Übergangspflegeleistungen im Krankenhaus.

Fahrten aufgrund vor- und nachstationärer Behandlung: Manche stationäre Krankenhausbehandlung erfordert zur Vor- bzw. Nachbereitung des Krankenhausaufenthaltes vor- und nachstationäre Behandlungen. Mit der Krankenkasse können die dabei anfallenden Fahrkosten abgerechnet werden, wenn der erforderliche teil- oder vollstationäre Krankenhausaufenthalt durch die vor- bzw. nachstationäre Behandlung verkürzt oder sogar vermieden wird.

Verlegungs- und Rettungsfahrten: Die Kosten für die Verlegung in ein anderes Krankenhaus werden übernommen, wenn das aus zwingenden medizinischen Gründen (z. B. Spezialklinik) erforderlich ist. Gibt es keinen zwingenden medizinischen Grund, geht es beispielsweise um die Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus, muss vorher die Einwilligung der Krankenkasse eingeholt werden.

Erfolgt der Transport mit einem Rettungswagen, Notarztwagen oder Rettungshubschrauber, handelt es sich um eine Rettungsfahrt, die dann erforderlich ist, wenn sich die oder der Versicherte infolge einer Verletzung oder Krankheit in unmittelbarer Lebensgefahr befindet oder der Gesundheitszustand in kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Verschlechterung erwarten lässt. Die Kosten des Transports hat die Krankenkasse ohne vorherige Genehmigung zu zahlen, auch dann, wenn die Behandlung in der Rettungsstelle keine stationäre Aufnahme erfordert, d.h. die oder der Versicherte direkt wieder nach Hause entlassen wird.

Fahrkosten in Zusammenhang mit ambulanten Operationen: Wenn eine an sich erforderliche Krankenhausbehandlung durch eine ambulante Operation im Krankenhaus oder in einer Vertragsarztpraxis vermieden werden kann, übernimmt die Krankenkasse die Fahrkosten. Das gilt auch, wenn eine Krankenhausbehandlung nicht durchführbar ist.

Fahrten mit vorheriger Genehmigung

Die Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen sind von den Krankenkassen nicht zu erstatten. Es gibt aber einige Ausnahmen – dafür muss die Krankenkasse vor der Fahrt die Genehmigung der Kostenübernahme erteilen. Das ist der Fall bei

Fahrten mit einem vorgegebenen Therapieschema, das mit einer hohen Frequenz über einen längeren Zeitraum vorgesehen ist, bei der die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf die Versicherten in einer Weise beeinträchtigt, dass deren Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Das gilt beispielsweise für

  • Dialysefahrten oder
  • Fahrten zur onkologischen Strahlen- und Chemotherapie, für
  • Fahrten zu parenteralen antineoplastischen Arzneimitteltherapien sowie parenteralen onkologischen Chemotherapien oder
  • Fahrten zu vergleichbaren Behandlungen.

Fahrten für dauerhaft Mobilitätsbeeinträchtigte: ohne Nachweis der Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ oder Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei denen aber eine vergleichbare Beeinträchtigung der Mobilität vorliegt und die einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen, wenn deren ambulante Behandlung mindestens 6 Monate andauert.

Fahrten in einem Krankentransportwagen zur ambulanten Behandlung: wenn während der Fahrt medizinisch fachliche Betreuung oder fachgerechte Lagerung der Versicherten erforderlich ist.

Besonderheit

Fahrten zu Kuren oder zu medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sind in der Krankentransport-Richtlinie nicht geregelt. Die Kostenübernahme für diese Fahrten muss direkt mit der Krankenkasse geklärt werden.

Mögliche Transportmittel

Für den Transport stehen zur Wahl:

  • Taxi oder Mietwagen für Krankenfahrten,
  • Krankentransportwagen, wenn eine medizinische Betreuung oder Lagerung der Patienten notwendig ist,
  • Rettungswagen für Rettungsfahrten, Notarztwagen oder Rettungshubschrauber,
  • öffentliche Verkehrsmittel und private PKW für Krankenfahrten. Hier ist keine Verordnung erforderlich.

Höhe der Fahrkosten und Zuzahlung

Für jedes Verkehrsmittel ist die Kostenübernahme auf eine bestimmte Höhe begrenzt. Das Gesetz sieht eine Reihenfolge für die zu übernehmenden Fahrkosten vor. Vorrangig sind öffentliche Verkehrsmittel, d.h. Busse, S- u. U-Bahnen zu nutzen. Hier wird der Fahrpreis erstattet, wobei Fahrkostenermäßigungen berücksichtigt werden. Bei Bahnfahrten wird grundsätzlich nur der Fahrpreis für die 2. Klasse übernommen.

Ist der oder die Versicherte aus zwingenden Gründen gehindert, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, kommt der Transport mit einem Taxi oder Mietwagen in Betracht. Erstattet werden die Vertragspreise, die die Krankenkassen mit den Taxiunternehmen vereinbart haben. Hier ist es wichtig, sich von einem Vertragspartner der eigenen Krankenkasse fahren zu lassen, um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Mietwagen sind nur solche im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes, also Wagen, die vergleichbar mit einem Taxi mit einem Fahrer zur Beförderung gemietet werden. Leihwagen, die sich Versicherte über eine Autovermietung besorgen, sind keine Mietwagen im oben genannten Sinne.

Kommt aus ärztlicher Sicht die Fahrt weder mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch dem PKW oder einem Taxi/Mietwagen in Betracht, erfolgt die Beförderung mit einem Krankentransportwagen oder Rettungsfahrzeug. Auch hier ist es wichtig zu wissen, dass nur die zwischen dem Transportunternehmen und der Krankenkasse vereinbarten Vertragspreise erstattet werden.

Wird der eigene oder der PKW eines anderen für den Transport genutzt, hängt die Erstattung der Fahrkosten nicht davon ab, dass ein anderes Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann. Es werden aber maximal die Kosten erstattet, die bei der Inanspruchnahme der vorgenannten Transportmittel entstanden wären. Sollte also aus Sicht der Ärztin oder des Arztes eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausreichend sein, der oder die Versicherte sich aber dennoch für den PKW entscheidet, werden nur die Kosten erstattet, die bei der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln entstanden wären.

Das Bundesreisekostengesetz gibt vor, dass 0,20 € je gefahrenem Kilometer erstattet werden. Das Krankenversicherungsrecht sieht in § 61 SGB V auch vor, dass Versicherte 10 % des Fahrpreises, mindestens 5 € und maximal 10 € pro Fahrt, jedoch nie mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten als gesetzliche Zuzahlung selbst tragen. Bei Fahrkosten müssen die Zuzahlungen auch für Kinder und Jugendliche geleistet werden.

Quellen

60 SGB V, abrufbar im Internet unter www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__60.html.

Krankentransport-Richtlinie, abrufbar im Internet unter www.g-ba.de/richtlinien/25/, dazu die Neuerung zur Fernbehandlung unter www.g-ba.de/downloads/39-261-6807/2024-09-19_KT-RL_Fernbehandlung.pdf.