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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Rollstuhlcurling

Martin Honcu, Blickpunkt-Ausgabe 04/2023

Ich habe mir überlegt, dass ich die Sportarten, die ich euch hier vorstelle, etwas der Jahreszeit anpasse – in dieser Ausgabe soll es also um das Rollstuhlcurling gehen.

Was ist Rollstuhlcurling?

Rollstuhlcurling wurde erstmals 2006 in Turin (Italien) in das Programm der Paralympischen Winterspiele aufgenommen. Die noch recht junge Sportart erfreut sich großer Beliebtheit. Sie wird von Sportler*innen mit Einschränkungen der unteren Extremitäten ausgeübt. Dazu zählen Personen, die im Alltag einen Rollstuhl nutzen oder nur kurze Strecken als Fußgänger absolvieren können. Rollstuhlcurling ist eine Präzisionssportart, die ein hohes taktisches und strategisches Verständnis erfordert. Eine Besonderheit stellen die geschlechtergemischten Teams dar. Der Regel des Rollstuhlcurlings nach muss jedes Team aus mindestens einem Mann und einer Frau bestehen.

Rollstuhlcurling ist ein Mannschaftssport, bei dem vier Spieler*innen pro Team gegeneinander antreten. Ein Team besteht aus einem Lead, Second, Third und dem Skip, die*der als Kapitän*in die Strategie vorgibt. Gespielt wird auf einer 42,07 x 4,28 m langen Spielfläche (Rink), an deren Enden sich je eine Zielscheibe mit vier Ringen (Haus) befindet. Beide Mannschaften versuchen abwechselnd, einen Curlingstein so nahe wie möglich in die Mitte des Hauses zu befördern. Dazu benutzen die Spieler*innen einen Stick, mit dem sie den Stein über das Eis schieben. Der Stick, ein teleskopartiger Stiel, ist der verlängerte Arm des Spielers und kann je nach Bedarf in der Länge verändert werden. Mit ihm wird der Stein in Richtung gebracht und abgespielt. Dabei wird dem Stein das nötige Handle gegeben. Er ist am Ende mit einer Aufnahme ausgestattet, die es ermöglicht, den Griff des Steines zu fassen. Pro Durchgang (End) hat jede Mannschaft insgesamt acht Steine. Für jeden Stein, der näher als der gegnerische Stein in der Mitte des Hauses platziert ist, erhält die Mannschaft einen Punkt.

Insgesamt werden acht Ends gespielt. Damit ein Spieler nach dem Loslassen des Curlingstein auf dem Eis mit dem Rollstuhl nicht wegrutscht, wird er von einer*m Mitspieler*in gehalten. Ein zentraler Unterschied zum Fußgänger-Curling ist, dass der Boden vor dem Stein nicht gewischt wird. Wichtig beim Curling ist auch, dass die Eisfläche besonders präpariert werden muss. Da alle Sportler aus einem Rollstuhl heraus spielen, gibt es keine Unterteilung in Klassen.

Über die paralympische Variante hinaus kann Curling auch von Menschen mit anderen Behinderungsarten durch wenige Anpassungen inklusiv und bis ins hohe Alter ausgeübt werden. So können etwa gehörlose Menschen durch Anpassung der Kommandos genauso Spaß an Curling haben. Für Anfänger*innen sowie im Kinder- und Jugendbereich sorgen Variationen bei der Bahnlänge und dem Gewicht der Curlingsteine für Vereinfachung.

Unterschiede zwischen Curling und Eisstockschießen

Beim Curling können die Granitsteine bis zu 15 kg schwer sein, wohingegen die Stöcke beim Eisstockschießen aus Holz bestehen und unter 10 kg wiegen. Curling ist im Gegensatz zum Eisstockschießen eine olympische Disziplin. Der große Vorteil beider Sportarten ist auch, dass man nicht Eislaufen können muss.

Fazit

Ich war zu Gast bei den Mainhattan Ice-Wheelers, eine Spielgemeinschaft vom RSC Frankfurt (Rollsportclub) und der Eintracht Frankfurt und habe dort ein Schnuppertraining absolviert. Ich muss ehrlich sagen, dass ich am Anfang skeptisch war, ob und wie ich mich in meinem Aktivrollstuhl auf dem Eis bewegen würde. Denn wenn es schneit, ist die Outdoor-Fortbewegung der Horror für mich. Umso überraschter war ich, wie erstaunlich gut ich auf dem Eis fahren konnte. Im Prinzip ist es genauso wie auf dem Boden einer Sporthalle – lediglich wird, wie weiter oben beschrieben, der Rollstuhl beim Stoßen des Curlingsteins mit dem Stick von einem 2. Rollstuhlfahrer festgehalten, damit man auf Position bleibt und der Stein auch das anvisierte Ziel erreicht. Und da liegt das große Problem, denn im Sitzen sieht man das Ziel nicht so gut wie eine stehende Person. Und mir fiel es anfangs schwer, die Kraft über den Stick auf den Curlingstein zu übertragen, sodass er a) lang genug gleitet und b) auch dem anvisierten Ziel nahekommt. Je öfter ich aber den Curlingstein mit dem Stick anschob, umso näher landete ich in etwa da, wo der Skip ihn haben wollte. Am Ende ging mir dann aber die Kraft aus.

Allerdings hat es großen Spaß gemacht, und ich werde es ein weiteres Mal probieren. Man sollte sich unbedingt warm anziehen, denn vom Eis kommt eine Kälte, und man bewegt sich doch relativ wenig. Ebenso sollte man gute Bremsen haben bzw. darauf achten, dass der Luftdruck der Reifen stimmt, um beim Stoßen nicht zu rutschen.

Wer das auch gerne mal ausprobieren möchte, ist z. B. herzlich zum Schnuppertraining bei den Mainhattan Ice-Wheelers in der Eissporthalle Frankfurt eingeladen. Weitere Informationen gibt es von Melanie Spielmann, der Fachwartin für Rollstuhlcurling des RSC Frankfurt unter Curling@rscfrankfurt.eu.
Und wie immer gilt, wenn euch eine Sportart besonders interessiert, sendet mir einfach eine E-Mail. Ich stelle sie euch hier gerne vor.