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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Rollstuhlrugby

Martin Honcu, Blickpunkt-Ausgabe 04/2024

Wisst ihr noch, was Anfang September war? In Paris haben die paralympischen Spiele stattgefunden. Mich persönlich hat gefreut, dass immer länger und auch live darüber in den öffentlichen Sendern berichtet wurde. Schon großartig, was Athlet*innen mit Handicap so alles leisten können, sei es mit Prothesen, ob sie blind sind oder im Rollstuhl sitzen. Habt ihr eventuell auch mal beim Rollstuhlrugby reingeschaut?

Nichts für schwache Nerven

Definitiv nichts für schwache Nerven, denn es ist laut, wenn die Rollstühle aufeinander krachen. Ich würde es sogar mit Autoscooter auf einem Jahrmarkt vergleichen, nur dass diese ja noch einen dicken Gummirand als Puffer haben. Diesen Puffer gibt es beim Rollstuhlrugby nicht, da kracht das pure Metall aufeinander, daher sind die Sportrollstühle nochmal extra verstärkt.
Einer, der im Team Deutschland bei den paralympischen Spielen in Paris im Nationalteam von Rollstuhlrugby dabei war, ist Christian Riedel. Er spielt beim RSC Frankfurt und ich habe ihn und sein Team Main-Power im Training besucht. Das Team wurde in der Saison 2022/23 Meister der Regionalklasse Süd und es hat große Pläne: Ab der Saison 2025 möchten sie in einer Spielvereinigung mit Karlsruhe in der 2. Bundesliga spielen.

Wie geht Rollstuhlrugby?

Der Unterschied zum normalen Rugby ist, dass Rollstuhlrugby nicht auf Rasen, sondern auf einem Basketballfeld mit leicht angepasstem Regelwerk und jeweils vier Spieler*innen in gemischten Teams gespielt wird. Ziel ist es, den Ball, der gepasst, gedribbelt oder auf dem Schoß transportiert werden darf, in die gegnerische Endzone zu bringen, ohne dass der Gegner zuvor in Ballbesitz gerät. Harte Rollstuhlkontakte sind erlaubt, Körperkontakte werden dagegen bestraft. Rugbyrollstühle müssen enorme Stabilität aufweisen, um den Blockaden (den Tacklings) standzuhalten, gleichzeitig aber auch schnell und wendig sein. Dabei unterscheidet man je nach Bauweise zwischen Offensiv- und Defensivrollstühlen. Offensivrollstühle besitzen abgerundete Stoßdämpfer (Wings), die vor gegnerischen Abwehraktionen schützen sollen. Defensivrollstühle sind hingegen mit einem speziellen Vorbau ausgestattet, sodass sie sich in anderen Rollstühlen verhaken können, um diese am Weiterfahren zu hindern. Nicht selten kippt auch trotz Kippschutz mal ein Rollstuhl um, wenn er gerammt wird. Es ist den Spieler*innen nicht erlaubt, selbstständig den Rollstuhl auf die Räder zu stellen, stattdessen betreten bei einer Spielunterbrechung zwei Teammitglieder, die Fußgänger sind, das Spielfeld und richten den Rollstuhl wieder auf. So entsteht den Spieler*innen, die das nicht selbst können, kein Nachteil.

Gespielt wird mit dem volleyballähnlichen Ball, dessen Oberfläche aber mehr Grip hat. Für Chancengleichheit im Rollstuhlrugby sorgt auch ein ausgeklügeltes Klassifizierungssystem. Je nach Art der Behinderung werden Punkte an die Sportler*innen vergeben: Je höher die Punktzahl, desto geringer die Einschränkung hinsichtlich der sportartspezifischen Fähigkeiten. So darf jede Mannschaft bei nationalen Wettkämpfen nach Addition aller Spieler*innen eine Maximalpunktzahl von 7 Punkten auf dem Feld nicht überschreiten.

Durch Anpassungen im Regelwerk ist diese Sportart besonders attraktiv für Menschen mit Querschnittlähmung, Tetraplegie, Spastiken, Muskeldystrophie, Dysmelien und Amputationen. Für die Teilnahme am Wettkampfbetrieb ist eine Einschränkung an mindestens drei Gliedmaßen vorgeschrieben. Voraussetzung ist, dass die Sportler*innen ihren Rollstuhl eigenständig bewegen können.
Da viele nicht richtig greifen können, haben die Rollstühle oft keinen Greifring, sondern werden über die Räder mit den Handinnenflächen angetrieben. Und genauso bremst man auch. Dazu werden Handschuhe getragen, die um die Handgelenke mit Tape festgeklebt werden, damit man sie beim Bremsen nicht verliert.

Tore macht man, indem man den Ball kontrolliert über die Torlinie bringt, die 8 m breit ist. Nicht erlaubt ist es, den Ball ohne Körperkontakt, sei es durch Werfen oder Rollen, über die Torlinie zu spielen. 4 x 8 min ist die Regelspielzeit, wobei nach der Hälfte der Zeit die Seiten getauscht werden. Jedes Team besteht aus vier Spieler*innen sowie Wechselspieler*innen. Es gibt kein Unentschieden als Ergebnis, stattdessen geht man bei Bedarf nach der regulären Spielzeit in eine 3-minütige Verlängerung und wiederholt diese so lange, bis ein Team gewonnen hat.

Quellen und weitere Informationen

Deutsche Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft. Rollstuhlrugby, abrufbar im Internet unter www.wheelchairrugby.de/rollstuhlrugby.
Deutscher Rollstuhl-Sportverband (DRS) e. V. Wheelchair Rugby Germany, abrufbar im Internet unter www.gerwr.de.
RSC Frankfurt e. V. Rugby, abrufbar im Internet unter www.rscfrankfurt.eu/abteilungen/rsc-rugby.