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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Die etwas andere Schwarzwaldklinik: Warum die „Klinik in der Zarten" Körper und Seele gut tut – ein Erfahrungsbericht

Von Alexandra Matissek-Schild, Blickpunkt-Ausgabe 01/2013

Nach meiner MS-Diagnose vor 14 Jahren – ich hatte gerade so meine Landwirtschaftslehre beenden können – suchte ich nach einer Kurklinik am Meer oder in den Bergen. Im Hochschwarzwald wurde ich fündig: Die kleine„Klinik in der Zarten", eine Akutklinik für Psychosomatik, hat Schwerpunkte in den Bereichen Körpertherapie, Psychotherapie und Naturheilverfahren; sie wies zudem Kompetenz in Fragen der Multiplen Sklerose auf – genau das, was ich mir vorgestellt hatte. Seither habe ich in diesem Krankenhaus in Hinterzarten, das eher einen hotelähnlichen Charakter hat, immer wieder sehr heilsame Aufenthalte erlebt, habe dort Schübe auskuriert oder abgewendet, durfte mich persönlich weiterentwickeln und die Idylle des wunderschönen Schwarzwaldes genießen. Im Folgenden habe ich meine Erfahrungen für die Blickpunkt-Leserinnen und Leser zusammen gefasst.

Selbstheilungskräfte anregen

Die Umgebung der Klinik, eine Hochebene mit sanften waldbedeckten Hügeln, Bächen, Seen, Wasserfällen und dem herrlichen Naturpark Hochschwarzwald um den Feldberg herum, empfinde ich als zutiefst Kraft spendend und beruhigend, als verzaubernd und auf unerklärliche Weise die Selbstheilungskräfte anregend. Hinterzarten, ein ehemaliger, sicher schon in vorchristlicher Zeit verehrter Wallfahrtsort, ist ein großes Dorf mit allem, was das „kurende Herz" begehrt. Und lässt sich auch prima in kurzen Strecken am romantischen Zartenbach entlang erwandern. Die Kirche „Maria in der Zarten" gab der Akutklinik für Psychosomatik ihren Namen. Diesem Ort des Glaubens werden seit jeher zauberische Kräfte nachgesagt: Angeblich haben viele Menschen in den Reihen ganz vorne links in der Kirche schon erleuchtende Dinge erlebt. Erhellendes gibt es natürlich auch im „therapeutischen Setting" zu erleben – selten wird in vergleichbaren Kliniken so intensiv gearbeitet wie hier im Schwarzwald, und schon gar nicht im körpertherapeutischen Bereich oder etwa beim Erlernen von Entspannungstechniken und Visualisierungsübungen. Gerade letztere sind jedoch absolut wesentlich zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte.

Sehr kraftspendend ist auch die Tanztherapie, die mittlerweile mehrmals in der Woche angeboten wird. Der hohe therapeutische Wert von Musik wird hier auf schöne Weise effektiv genutzt. Viel Erfahrung haben die Therapierenden mit der sehr sanften Hypnotherapie, die große Erfolge bei Stabilisierung oder Aufdeckungsarbeit aufweisen kann. Was in der Traumatherapie nun als Non-plus-ultra gehandelt wird, ist hier seit langem Standard.

Familiär – aber nicht barrierefrei

Die Klinik ist klein und kuschelig, das hat viele Vorteile, aber auch einige Nachteile. Das Wichtigste zuerst: Das Gebäude ist nicht behindertengerecht. Eine Treppe führt zum eher restaurant- als klinikähnlichem Essensbereich und zum Therapieraum. Außerdem sind die Zimmer klein und es gibt keine Garantie auf ein Einzelzimmer. Das ist erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig – aber führt oft auch zu bereichernden Erlebnissen. Wir sitzen ja alle im gleichen Boot; das enge Zusammenleben erzeugt manchmal eine fast „internatsähnliche" Fröhlichkeit und Nähe.

Diese räumliche Struktur spiegelt sich auch in der Atmosphäre der Klinik, die familiär und eher hotelähnlich ist. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich dadurch meist sehr wohl, empfinden sich nicht als entmündigt und werden zur Selbstständigkeit ermutigt. Das ist angenehm, denn manchmal locken Wanderungen oder die Entdeckung des nahe gelegenen Freiburg mehr als die wirklich guten Gruppenangebote. Abendprogramm, Therapien über die Feiertage, organisierte Freizeitaktivitäten und selbst Fernseher werden nicht angeboten. In anderen Kliniken vielleicht üblich, finde ich es aber auch gar nicht notwendig – bei der traumhaften Umgebung. Außerdem lerne ich immer wieder spannende Menschen kennen, kann stundenlang lesen, da bleibt sowieso keine Zeit für Langeweile. Am Abend ist das nahe Luxushotel Adler ein tolles Ziel, mit nostalgischer Bar. Einen Besuch wert sind auch die regelmäßigen Konzerte und Lesungen im Adler, in den Kirchen oder im Kurhaus; zudem lockt das Café Diva mit köstlichen Torten. Letztere verführen auch in der weltbesten Konditorei am Ort, die ich immer sofort besuchen muss. Apropos Essen: Die Krankenhausküche gibt sich größte Mühe, alle machbaren Patientenwünsche zu erfüllen, und das ob des Meckerns der verwöhnten „Gäste". Ebenso engagiert ist auch die Chefin des Hauses, überall zugleich seiend und ihr südamerikanisches Temperament versprühend.

Der Zustand des Hauses wird von einigen als renovierungsbedürftig empfunden, empfohlen sei hier, im Internet unter „Klinikcheck.de" nachzulesen. Ich finde die Mischung aus Kitsch und Kunst einfach gemütlich. Neue Bäder wären natürlich schön, allerdings finde ich es bezeichnend, dass das Geld eher in intensive Therapien als in hochmoderne Renovierung gesteckt wird.

Im Klinikalltag: Bewegung – Wahrnehmung – Atemtherapie

Ein typischer Kliniktag, individuell gestaltbar, sieht so aus: Früh morgens im Physiotherapiebereich im Keller, wo sich auch eine kleine Sauna befindet, empfängt mich ein erfrischender Kneippscher Guss. Dort werden auch Entspannungsbäder, Rotlicht und kleine Massagen angeboten. Weiter geht's mit einer kurzen Morgengymnastik in Stille im überaus schönen Gruppenraum unterm Dach. Zum Frühstück gibt's frische Brötchen und selbst gemachtes Bircher-Benner-Müsli, muntere Gespräche murmeln die Treppe hinauf. Ob Autogenes Training, Jacobson-Muskelentspannung, Walken oder Wirbelsäulengymnastik, ob freies Tanzen zu wilder Musik oder sanfte Tanztherapie: Im Tagesverlauf lässt sich zwischen Bewegung, Wahrnehmungsübungen und Entspannung wählen. Und immer wieder Atemtherapie: Die Basis für das gesunde Leben ist eben der Atem. Phantasiereisen, Mandala-Malen zu meditativer Musik und Basteln mit einer Ergotherapeutin ergänzen das Angebot.

Ich liebe diese Mischung aus Entspannung, Bewegung und Musik, all das tut mir unwahrscheinlich gut. In negativer Erinnerung blieben mir nur einmal während einem meiner Aufenthalte durchgeführte Renovierungsmaßnahmen im Haus. Von nörgelnden-Mitpatienten-abgrenzen- lernen ist hier außerdem eine wichtige Devise.

Nicht so gut finde ich auch die sehr rasche Gabe von Psychopharmaka. Allerdings habe ich mit den Jahren meine halsstarrige Ablehnung aufgegeben und sehr davon profitiert, nachts eine Minimaldosis des entspannenden Antidepressivums Mirtazapin einzunehmen, das sich positiv auf meine Spastik auswirkt und den Schlaf ungemein verbessert. Guter Schlaf, das A und O für Erholung und Gesundung, steht im Vordergrund, mit Entspannungsmethoden – aber eben auch mit der Hilfe der Medizin. Im Winter liegt in Hinterzarten und Umgebung immer viel Schnee, herrlich, wie ich finde, aber sicher schwierig für Menschen mit stärkeren Behinderungen.

Ab dem sehr späten Frühling ist alles voller Blumen und rauschender Bäche, wunderschön. Ein Schwimmbad gibt es nicht, nur im Nachbarort und in den Hotels, man kann danach fragen. Jedoch lockt der Titisee (mit der Bahn eine Station oder eine Wanderung über den Berg, ungefähr eine Stunde) und ein wundervoller Moorsee im verwunschenen Wald (eine dreiviertel Stunde Fußmarsch). Und wer in den herrlichen Wäldern reiten möchte, kann dies auf einem Isländerhof im Ort oder bei einer Reittherapeutin ganz in der Nähe.

Mein Notfallnest in den Bergen

Entlastend ist die Tatsache, dass die „Klinik in der Zarten" eine Akutklinik für Psychosomatik ist: Wir brauchen keine mühsamen Anträge stellen, eine Einweisung und ein Anruf dort reichen. Die Krankenkassen müssen in jedem Fall eine akute Behandlung übernehmen. Abschließend sei noch einmal Klinikcheck.de ans Herz gelegt. Für schwerer Betroffene und „luxuriöse Naturen" ist das Haus nicht geeignet; ein Abwägen der Vor-und Nachteile sei angeraten. Für mich ist der Ort Hinterzarten so etwas wie ein „zweites Zuhause" geworden und das Krankenhaus ein „Notfallnest", wenn die MS mal wieder stärker wird und ich daran arbeite, dass nichts Größeres daraus wird. Ich bin zutiefst dankbar, dass es diese Klinik im Hochschwarzwald gibt.