Selbstliebe und ihre Wirkung auf unsere Gesundheit
Beate Eichmeier, Blickpunkt-Ausgabe 03/2024
„Keine Liebe ist ohne Eigenliebe, kein Hass ist ohne Selbsthass“, so lautet ein Zitat des deutschen Immunbiologen Gerhard Uhlenbruck. Eigenliebe, im heutigen Sprachgebrauch eher unter Selbstliebe bekannt, ist der Ursprung jeder Liebe, sei es zu anderen Menschen, zur Natur oder zum eigenen Körper. Sie bestimmt, wie liebevoll wir mit uns und anderen sind.
Was ist Selbstliebe?
Unter Selbstliebe versteht man grundsätzlich die Fähigkeit, sich selbst anzunehmen und wertzuschätzen, wie man ist, mit allen Stärken und Schwächen, mit Verletzungen, die man erfahren sowie mit Taten, die man begangen hat. „Liebe ist die Wundertherapie. Selbstliebe bewirkt in unserem Leben wahre Wunder“, schreibt Louise L. Hay dazu bezeichnenderweise in ihrem Buch Gesundheit für Körper & Seele.
Tatsächlich haben Liebe und Selbstliebe signifikant positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. So zeigte etwa eine Studie aus dem Jahr 2010 eine eindeutige Korrelation von Selbstliebe und einem geringeren Risiko, an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken. Eigenliebe bewirkt auch eine größere Zufriedenheit mit dem Leben und hat Einfluss auf unseren Selbstwert. Darüber hinaus wird der Selbstliebe eine Stärkung des Immunsystems zugeschrieben, und selbst Entzündungswerte können dadurch gesenkt werden. So konnten Mitgefühl mit und Liebe zu sich selbst in einer amerikanischen Studie aus dem Jahr 2013 die Entzündungsmarker Interleukin-6 reduzieren.
Vielen Menschen fällt Selbstliebe schwer
Sein eigenes Selbst zu lieben, fällt vielen Menschen schwer. Das Lieben des eigenen Körpers z. B. ist für viele eine Herausforderung, gerade dann, wenn er vielleicht nicht unseren Vorstellungen entspricht oder wenn er etwa durch eine Krankheit eingeschränkt ist.
Die Ursache für mangelnde Selbstliebe liegt oft in unserer Kindheit. Waren Mama und Papa nicht liebevoll oder haben ihre Liebe an Bedingungen wie z. B. sehr gute Leistungen oder ein hübsches Aussehen geknüpft, haben wir diese Glaubenssätze häufig übernommen. Nicht selten tragen wir sie bis ins Erwachsenenalter mit uns herum.
Diese Glaubenssätze und mangelnde Selbstliebe können tief in uns verankert sein und auch mit traumatischen Erfahrungen in Verbindung stehen. Daher bedarf es oft einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Inneren Kind und dessen Glaubenssätzen. Kommt man allein nicht weiter, sollte man hier auch Unterstützung, z. B. in Form einer Therapie, in Erwägung ziehen.
Selbstliebe und Lieblosigkeit
In vielen Fällen ist diese zum Glück nicht notwendig, und es gelingt schon mit einer gesteigerten Achtsamkeit, sich selbst mehr Liebe entgegenzubringen. Liebe können wir für verschiedenste Dinge in Bezug auf uns selbst empfinden:
- dafür, am Leben zu sein;
- für die Schönheit, die wir mit unseren Augen wahrnehmen können;
- für das Wunderwerk unseres Körpers;
- für unseren Geist und seine Fähigkeiten;
- für all unsere Erfahrungen, ob positiv oder negativ;
- für die Natur, Tiere und andere Menschen um uns herum;
- für das Universum, das uns umgibt.
Doch häufig sind wir etwa aus Gründen von Unachtsamkeit oder Stress alles andere als liebevoll zu uns selbst; unser Verhältnis zu uns selbst ist von Lieblosigkeit geprägt, z. B. wenn wir negativ mit uns selbst sprechen, unserem Körper durch ungesunde Ernährungs- und Lebensweisen Schaden zufügen, uns keine Pausen gönnen oder anderen Menschen erlauben, uns schlecht zu behandeln.
Krankheiten zeigen oft Mangel an Selbstliebe
Krankheiten sind oft ein Ausdruck mangelnder Selbstliebe. Schon der Name Multiple Sklerose weist darauf hin, heißt er übersetzt doch „vielfache Verhärtungen“. Multiple Sklerose wird mit einer außerordentlichen Härte gegenüber sich selbst in Verbindung gebracht. Die eigenen Bedürfnisse werden missachtet und müssen oft unnachgiebigen Überzeugungen und Vorstellungen von sich selbst und dem Leben weichen.
Dies spiegelt sich auf körperlicher Ebene durch eine Verhärtung im zentralen Nervensystem wider. Denn Gefühle und Erfahrungen aus der Vergangenheit werden in unserem Körper gespeichert und können dort Blockaden verursachen. Wenn wir z. B. als Kind mit Härte, Lieblosigkeit oder Druck unserer Bezugspersonen konfrontiert waren, werden wir uns früher oder später vermutlich genauso behandeln.
Bewusstsein als erster Schritt
Der erste Schritt dazu ist meist, sich der Härte und Unnachgiebigkeit gegenüber uns selbst bewusst zu werden. Dabei können Trigger und Widerstände, durch das Außen oder andere Menschen hervorgerufen, ein guter Hinweis sein, sich mit diesem Thema in uns selbst auseinanderzusetzen. Oftmals präsentiert uns das Leben immer wieder ähnliche Trigger im Außen, sei es der cholerische neue Chef, der genauso ist wie der alte, oder sich wiederholende Muster in Beziehungen. Das zeigt sich auch häufig an unserem Verhalten. So wechseln wir für gewöhnlich das Thema, sobald dieses eine Thema angeschnitten wird, wir werden krank, greifen zu Süßigkeiten oder lenken uns auf andere Weise ab. Dies geschieht so lange, bis wir in der Lage sind, diese Themen in uns aufzulösen.
Selbstanerkennung und -akzeptanz
Selbstliebe ist wichtig und hat Einfluss auf unsere Gesundheit. Dazu ist es jedoch notwendig, sich selbst anzuerkennen und zu akzeptieren, und das beinhaltet auch jeglichen Verzicht auf Selbstkritik. Durch unseren inneren Dialog bestimmen wir zu einem großen Teil unser Leben. Denken wir unbewusst z. B., dass wir machtlos sind und nichts ausrichten können oder dass wir nicht gut, schön oder dünn genug sind, so wird dies für uns früher oder später Realität. Oft haben wir viele Jahre lang unser Bewusstsein auf Selbstkritik und die Dinge programmiert, die wir nicht haben wollen. Doch schon die Wertschätzung unserer „guten“ Charaktereigenschaften kann für unsere Gesundheit förderlich sein. Uns selbst auch mit unseren „nicht vorzeigbaren“ Eigenschaften lieben zu können, kann gar große Fortschritte bei unserer gesundheitlichen Entwicklung bedeuten.
Eine Übung, die Louise Hay in ihrem Buch beschreibt, ist, sich immer wieder, am besten mehrmals am Tag, zu sagen: „Ich erkenne mich selbst an.“ Es werden sich dabei wahrscheinlich auch Widerstände in einem selbst zeigen, wie z. B. „Wie kann ich mich selbst anerkennen, wenn ich nicht liebenswert/gesund/nicht schlank etc. bin?“ Die Autorin empfiehlt, die Gedanken, die aufkommen, wie Wolken zu beobachten und ihnen nicht weiter zu folgen, sondern sie bewusst zu stoppen. Aus eigener Erfahrung macht es für mich darüber hinaus Sinn, die Widerstände auch zu fühlen. Wenn sich z. B. ein Gefühl des Nicht-liebenswert-Seins zeigt, spüre ich dem nach und fühle es. Und irgendwann löst es sich auf.
Loslassen und Selbstliebe
Folgende Zeilen schrieb Kim McMillen im Jahr 1996:
“As I began to love myself I freed myself of anything that is no good for my health – food, people, things, situations, and everything the drew me down and away from myself. At first I called this attitude a healthy egoism. Today I know it is LOVE OF ONESELF”.
(Als ich mich selbst zu lieben begann, befreite ich mich von allem, was nicht gut für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, was mich runterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich diese Einstellung gesunden Egoismus. Heute weiß ich, es ist SELBSTLIEBE).
Dieses Zitat beschreibt aus meiner Sicht grundlegende Aspekte der Selbstliebe. Selbstliebe kann aktiv geschehen, in dem wir uns Zeit für uns nehmen, für eine Meditation, für Pausen, für eine gesunde Mahlzeit, für Dinge, die uns oder unserem Körper guttun, die uns mit Freude erfüllen. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, Dinge loszulassen, die uns nicht guttun. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es wichtig ist, dies Schritt für Schritt zu tun. Wenn wir merken, dass Dinge sich für uns gut anfühlen, geschieht es oftmals von ganz allein, dass wir ohne Verzicht oder Anstrengung auch andere für uns zuträgliche Gewohnheiten integrieren und weniger gute gehen lassen.
Quellen und weitere Informationen
- Abbassian Korasani, S. 2023. Be your own healer. Die Selbstheilungskräfte wecken – voller Energie durchstarten. München: Arkana.
- Breines, J.G. et al. 2013. Self-compassion as a predictor of interleukin-6 response to acute psychosocial stress, abrufbar im Internet unter www.self-compassion.org/wp-content/uploads/publications/BreinesImmunity.pdf.
- Dahlke, R. 1992. Krankheiten als Sprache der Seele. Be-Deutung und Chance der Krankheitsbilder. München: Bertelsmann.
- Freudenberg, S. 2015. Die Seele als Coach. Verantwortlich und authentisch leben. München: Trinity.
- Hay, L.L. 2013. Gesundheit für Körper & Seele. Berlin: Ullstein.
- Kraft, N. 14.12.2023. Selbstliebe: Warum sie so wichtig ist und wie du sie erlernst, abrufbar im Internet unter www.dak.de/dak/gesundheit/koerper-seele/persoenliche-entwicklung/selbstliebe-verstehen-und-erlernen_13622#rtf-anchor-was-ist-selbstliebe.
- Martel, J. 2023. Mein Körper – Barometer der Seele. Kirchzarten: VAK.
- McMillen, K. 2001. When I loved myself enough: Inspiring words to help you find happiness and joy. New York: MacMillan.
- Neff, K.D. 24.9.2010. The development and validation of a scale to measure self-compassion, abrufbar im Internet unter www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/15298860309027.
- Uhlenbruck, G. 2011. Spruchreif!? Einschlägige Geistesblitze. Bochum: Brockmeyer.