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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Auftauchen in einer anderen Welt: Ein Portrait von Sandra Meixner

Sandra Meixner, Blickpunkt-Ausgabe 04/2013

Beim Stichwort „Tauchen" glänzen Sandra Meixners Augen. „Tauchen war mir wichtiger als alles andere auf der Welt", sagt sie. „Selbst mit Neoprenanzug und Sauerstoffflasche: Diese Leichtigkeit unter Wasser, dieses Gefühl von Freiheit – einfach großartig!" Sandra Meixner schöpft viel Kraft aus ihren Erinnerungen. Durch die Multiple Sklerose kann sie zwar ihr geliebtes Hobby inzwischen nicht mehr ausüben, aber die wunderbaren Unterwasser-Erlebnisse hütet sie wie einen Schatz. Menschen mit MS – zukünftig möchten wir im Blickpunkt Betroffene vorstellen, Menschen wie du und ich, auch auf ausdrücklichen Wunsch der Leserschaft. Wie gehen andere mit ihrer Erkrankung um, mit welchen Hindernissen kämpfen sie, welche ungeahnten Chancen haben sich seit der Diagnose eröffnet?

Sandra Meixner, die im November 40 Jahre alt wurde, hat seit Ende 2000 Multiple Sklerose. Sie ist seit etwa zehn Jahren MSK-Mitglied; ihr Mann Bernd engagiert sich aktiv im Vorstand des Vereins. Die beiden leben in Walldorf in der Nähe von Heidelberg. Als sie damals zunehmend schlechter sehen konnte, suchte die Industriekauffrau einen Neurologen auf. Der Experte erkannte dieses Symptom zwar nicht auf Anhieb als beginnende MS, aber die anschließende MRT-Untersuchung brachte traurige Gewissheit.

„Oh Gott, kann ich dann niemals wieder tauchen?" Im Alter von etwa 20 Jahren hatte Sandra Meixner mit diesem Sport angefangen – und nichts erschien ihr schlimmer, als ihn nicht mehr ausüben zu können.

Alternativmedizinischer Behandlungsansatz

Sie startete „klassisch" mit der Basistherapie, brach sie aber nach einem halben Jahr ab, weil sie sich mit der „Medikamentierung ihres Lebens" nicht identifizieren konnte. Stattdessen ließ sie sich von einer Heilpraktikerin Symptombezogen homöopathisch behandeln, ein Weg, den sie bis heute geht. Zusätzlich nutzt sie alle zwei Wochen die Bioresonanztherapie, ein biophysikalisches Verfahren, das auf der Behandlung körpereigener elektromagnetischer Schwingungen basiert. Hinzu kommt einmal im Jahr ein vierwöchiger Aufenthalt in einer neurologischen Klinik, wo sie sehr von Massagen, Krankengymnastik und Ergotherapie profitiert. Sandra Meixner ist fest überzeugt von ihrer naturheilkundlichen Herangehensweise an die Erkrankung, die einen sekundär-progredienten Verlauf nimmt: „Ich habe Copaxane gar nicht gut vertragen. Und ich befürchte, dass die Profitmaximierung in der Pharmaindustrie einen höheren Stellenwert einnimmt als die Gesundheit des Menschen." Sie hat sogar selbst eine Ausbildung zur Heilpraktikerin absolviert, nachdem sie ihren Job als Industriekauffrau bei einem größeren Unternehmen gekündigt hatte. Der 40-Jährigen ist aber auch bewusst, dass der alternativmedizinische Weg seine eigenen Stolpersteine birgt. Sie setzte zwei Jahre mit der homöopathischen Behandlung aus, um sich ganz auf eine ayurvedische Therapie einzulassen. Wie gut taten ihr die regelmäßigen Kuren im Ayurveda-Zentrum in Bad Schönborn, bei denen warme Öle über den Kopf fließend auf den Körper gelangen! Die Entfernung jeglichen Amalgams in den Zähnen sollte zudem eine weitere Verbesserung bringen − aber das Gegenteil trat ein: Ihr Zustand verschlechterte sich zunehmend und sie war fortan auf einen Rollator angewiesen. Da die Ayurveda-Kuren jedoch so wohltuend gewesen waren, hat sie zusammen mit ihrem Mann die Beschwerlichkeiten einer Reise nach Indien auf sich genommen, um sich mehrere Monate vor Ort behandeln zu lassen. Die Kur in Indien zeigte eine deutliche Verbesserung, zu Hause ging es ihr aber schlechter als zuvor, ein Schub setzte ein – Klimaänderung und Flug hatten ihr zu sehr zugesetzt.

Engagement im MSK-Verein

Aber Sandra Meixner gibt nicht auf − sie integriert die Krankheit in ihr Leben. Sie hat liebevolle Unterstützung im Alltag durch Familie und Freunde, erfahrene Haushaltshilfen und vor allem ihren Mann Bernd. Mit ihm zusammen hat sie in der MSK ein Tätigkeitsfeld gefunden, das auch ihre Ehe bereichert. Während Bernd Vorstandsarbeit leistet, kümmert sie sich um die Grußkarten und die Organisation der Vorträge. Erstere verschickt sie zu Geburtstagen und zu anderen Anlässen an die Mitglieder: „Durchs Zittern meiner Hände landen die Briefmarken und Adressaufkleber oft schief und krumm auf den Umschlägen, das ärgert mich dann immer ganz arg", sagt die Perfektionistin. Der telefonische Kontakt zu den Referenten, mit denen sie Detailabsprachen für deren MSK-Vorträge führt, macht ihr ebenfalls viel Freude. „Es ist schön, mit engagierten Experten, Betroffenen und ihren Angehörigen eine gemeinsame Sache voran zu bringen". Die MSK ist für sie dabei genau der richtige Ort, schätzt sie doch besonders die Unabhängigkeit des Vereins von unterschiedlichen Lobbyisten.

Und das Tauchen? Natürlich vermisst sie die Zeiten, als sie die Unterwasserwelten vom Hemsbacher See über das Rote Meer bis nach Thailand erkundete. Aber sie musste nicht gleich zu Beginn der Erkrankung auf ihr Hobby verzichten, denn MS und Tauchen passen prinzipiell zusammen: „Ich suchte einen Tauchmediziner auf, der mir grünes Licht fürs Weitermachen gab. Ich nahm ihn beim Wort und absolvierte sofort eine Ausbildung zur Tauchlehrerin." Und es funktionierte: Sie arbeitete noch eine ganze Zeit an der Hemsbacher Tauchschule. Das war ein unverhofftes Geschenk und versöhnte sie ein Stück weit mit ihrem Schicksal. Vergangenes loszulassen und sich Neuem zu öffnen: Eine Erfahrung, die das Leben von Menschen mit und ohne gesundheitliche Einschränkungen gleichermaßen prägt.