Fatigue – eines der 1000 Gesichter der MS: Mit Achtsamkeit der Erschöpfung begegnen
Heike Führ, Blickpunkt-Ausgabe 04/2018
Fatigue ist nicht nur ein Wort, sondern ein Zustand – und, wie ich finde, ein erbärmlicher noch dazu! Diese Erschöpfbarkeit und Erschöpfung ist nicht mit dem normalen Müde-Sein, wie es jeder kennt, zu vergleichen. Es ist ein Zustand, der Betroffene aushebeln und Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und extremer Eingeschränktheit mit sich bringen kann. Wie sich Fatigue äußert und wie ich ihr begegne, möchte ich hier gerne mit euch teilen.
Was ist Fatigue bei MS?
Fatigue (französisch für Müdigkeit oder Erschöpfung), auch Fatigue-Syndrom, bezeichnet ein Erleben von anhaltender (also auch ständiger) Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Es beschreibt zunächst ein Symptom, das verschiedene chronische Krankheiten begleitet, stellt nach heutiger Auffassung aber auch selbst eine Krankheit dar. Dieses ganzkörperliche Gefühl physischer und/oder mentaler Erschöpfung kann unabhängig von körperlicher Belastung erfolgen, ist unkontrollierbar und kann willentlich nicht beherrscht werden. Es beeinträchtigt daher das Leben der Betroffenen stark und sehr nachhaltig.
Etwa 80 Prozent aller MS-ler leiden unter dem Fatigue-Syndrom, das entweder als spontane Müdigkeit nach wenigen Minuten (körperlicher oder geistiger) Aktivität oder als dauerhafte Müdigkeit auftritt, die es den Betroffenen fast unmöglich macht, auch nur die einfachsten Aufgaben zu erfüllen. Beides kann auch gleichzeitig auftreten: Meine Fatigue beinhaltet beispielsweise beides.
Fatigue-Symptome bei MS
Die folgenden Beschwerden können durch Fatigue verursacht werden:
- eine Erschöpfung bis zur Unfähigkeit, aufzustehen – sie behindert körperliche Bewegung und deren Ausführung;
- die MS-Symptome verstärken sich, Zittern und innerliche Unruhe;
- man ist extrem müde, ohne einschlafen zu können oder man schläft ständig;
- es fällt schwer, klar zu denken (auch verlangsamt), Gedanken zusammenzuhalten und sich zu konzentrieren;
- man ist motivationslos;
- die psychische und physische Belastbarkeit wird eingeschränkt;
- eine extreme und schnelle physische wie psychische Erschöpfung;
- Sprachschwierigkeiten;
- Übelkeit;
- Sehstörungen;
- Schmerzen;
- Depressionen (Traurigkeit, Verzweiflung).
Ursachen von Fatigue
Die Ursachen der Fatigue sind weitgehend unbekannt. Generell werden zwei Formen unterschieden, die primäre und sekundäre Fatigue.
Primäre Fatigue
Experten führen die primäre Fatigue unmittelbar auf die MS zurück und sehen sie als direkte Folge der Schädigung des zentralen Nervensystems durch die Erkrankung. Die MS-typischen Schädigungen (speziell die Schädigung des Myelins, der Schutzschicht der Nerven) haben eine Verlangsamung der Reizweiterleitung zur Folge, was dann zu dieser ungewöhnlichen Müdigkeit führt. Des Weiteren wird vermutet, dass Fatigue mit der Schädigung der Nebennierenrinde zusammenhängt. Die Nebennierenrinde ist Bestandteil der Nebennieren, die sich am oberen Rand der Nieren befinden. Dort werden lebenswichtige Hormone produziert. Und diese sind auch für die Leistungsbereitschaft zuständig. Chronische Entzündungen führen stets auf Dauer zur Schwächung der Nebennierenrinde.
Es gibt unterschiedliche Arten der primären Fatigue:
- Mattigkeit: übermäßige Ermüdung, die nicht in direkter Verbindung mit irgendwelchen Aktivitäten oder Bewegungen steht;
- „Neuromuskuläre Fatigue“: tritt in bestimmten Muskelgruppen auf (zum Beispiel in der Hand, nachdem der MS-Patient etwas geschrieben hat). Der MS-Patient erlebt dies wie eine Art Abnutzungserscheinung (Entmarkung). Ein Beispiel: Eine Tätigkeit wird ohne Schwierigkeiten ausgeführt. Der Nerv spricht in schneller Wiederholung an, wird dann aber von der Multiplen Sklerose blockiert, sodass durch bisher simple Tätigkeiten ein außerordentlicher Energieverbrauch stattfindet, der zur Müdigkeit der Betroffenen führt;
- auf Wärmeempfindlichkeit zurückzuführende Fatigue: Eine erhöhte Körpertemperatur kann Fatigue hervorrufen. Diese Art kann durch saisonale Wetterveränderungen ausgelöst werden, aber auch aus anderen Gründen auftreten (wie zum Beispiel nach dem Baden in heißem Wasser oder nach dem Essen von heißen Speisen).
Sekundäre Fatigue
Die sekundäre Fatigue hingegen kann als Folge von nicht direkt im Zusammenhang mit MS stehenden Faktoren auftreten. Es handelt sich hierbei um Müdigkeitserscheinungen, die, ausgelöst durch verschiedene Faktoren, eine Rolle spielen. So schränken Schlafstörungen die Leistungsfähigkeit am Tag ein und erhöhen die Ermüdbarkeit. Symptome wie Geh- und Sehstörungen können dazu führen, dass alltägliche Tätigkeiten den Körper sehr anstrengen und eine Erschöpfung schneller eintritt.
Auch Depressionen, die in Folge der Nervenschädigungen oder der psychischen Belastung durch die MS auftreten, können mit einer ausgeprägten Müdigkeit einhergehen. Darüber hinaus können einige Gangstörungen oder Muskel-Spastiken zur schnelleren Ermüdung führen. Bewegungen werden durch bestehende Spastiken, Ataxien, Tremor oder Schmerzen um ein Vielfaches anstrengender und Betroffene sind nach kurzen Gehstrecken oder Alltagstätigkeiten schnell kraftlos und erschöpft.
Auswirkungen der „Unsichtbarkeit“ des Symptoms
Die Auswirkungen von Fatigue können individuell sehr unterschiedlich sein und auch verschieden verlaufen. Manche Betroffene fühlen sich bereits nach leichten Alltagstätigkeiten (die sie früher nicht angestrengt hätten), wie Duschen, Abwaschen oder Staubsaugen, völlig ermattet und ausgelaugt und müssen sich danach sofort wieder hinlegen. Bei anderen Betroffenen geht der Erschöpfungszustand mit einer Verschlechterung anderer MS-Symptome einher, etwa einer Zunahme der Bewegungs-, Konzentrations- oder Sehstörungen.
Und wieder ist es ein unsichtbares Symptom, was es so schwer erklärbar macht. Dass man unaufhörlich erschöpft, dauermüde und ausgebrannt ist und kein Schlaf der Welt das Ganze regenerieren kann, ist sogar für Betroffene selbst manchmal kaum zu begreifen. Man schläft – wenn man nicht unter Schlafstörungen leidet – erschöpft ein und doch steht man am nächsten Morgen genauso erschöpft wieder auf. Das macht sich dann nicht nur in diesem schrecklich unausgeschlafenen Gefühl bemerkbar, sondern auch in der Fähigkeit zu koordinieren, sich zu konzentrieren und die richtigen Worte zu finden. Das allgemeine Leistungsspektrum wird insgesamt deutlich eingeschränkt. Noch dazu nimmt der Energiepegel im Laufe des Tages stetig ab.
Dass die Fatigue, aber auch das Uhthoff-Phänomen (also die vorübergehende Verschlechterung neurologischer MS-Symptome bei einer Erhöhung der Körpertemperatur) Auswirkungen auf unsere Psyche und unser Selbstwertgefühl haben, wird hier nur allzu deutlich. Denn morgens nie zu wissen, wie und ob man seinen Tag schafft, was einem wieder alles nicht gelingt, aus der Hand fällt, welche neuen Symptome sich dazu gesellen– all das ist ein großer Unsicherheitsfaktor und kann den Alltag von MS-Betroffenen erheblich belasten.
Sehr schade ist, dass viele soziale Beziehungen unter dieser Krankheit leiden, denn wohlwollende und befriedigende Unterstützung aus dem direkten oder weiteren sozialen Umfeld können den Verlauf unserer Erkrankung erheblich positiv beeinflussen und vor allem „dem Seelchen“ so guttun. Wenn Betroffene Verständnis erfahren und sich nicht erklären müssen, sind sie diese Last schon einmal los. Dagegen können Verständnislosigkeit, Ablehnung, unsicheres Verhalten und eine hohe Erwartungshaltung aus dem sozialen Umfeld eine starke Belastung darstellen und sogar eine Verstärkung der Fatigue-Symptomatik bewirken.
Diese Komplexität des Symptoms, vor allem dessen Unsichtbarkeit, sind neben dem belastenden Symptom an sich das am Schwersten zu tragende Element dieser Form der Erkrankung.
Behandlung von MS-Fatigue: Cannabidiol (CBD)
Fatigue lässt sich auch durch viel Schlaf nicht beseitigen! Dies ist besonders wichtig zu wissen, denn gut gemeinte Ratschläge, wie „Schlafe dich mal ordentlich aus“ oder „Du musst dich nur mal richtig ausruhen“ sind hier völlig sinnlos und vor allem sehr unnötig. Wenn die Ursache der anhaltenden Erschöpfung unbekannt ist oder mehrere Faktoren zur Entstehung einer Fatigue beitragen, wird eine Behandlung sehr schwierig.
Ich hatte ja bereits in der Blickpunkt-Ausgabe 02/2018 über Cannabidiol (CBD) berichtet. Mir hilft das Hanf-Öl vor allem gegen die Fatigue und es konnte mir auch zu neuer Lebensqualität verhelfen. Hanf wirkt entgiftend und ist somit gut für die Nieren und die Leber. Die Leber wiederum ist – ganzheitlich betrachtet – ein wichtiges Organ, um Lebensenergie zu spenden. Meine Osteopathin hatte von der ersten Untersuchung an gesagt, dass meine Erschöpfung mit der Leber zu tun hätte und hat viel daran gearbeitet. Sie war begeistert, als ich ihr dann von meinem CBD-Öl erzählte und meinte, das wirke in meinem Fall dann direkt auf die Leber, entgifte und würde mir somit zu mehr Kraft und Energie verhelfen – und: Sie hat recht behalten!
Das heißt also: CBD ist gut für Leber und Nieren, die das Hormonsystem mit beeinflussen. Es ist nachgewiesenermaßen entzündungshemmend, was für die MS an sich und den ganzen Prozess förderlich und heilend ist. Laienhaft stelle ich mir vor, wenn das CBD die Entzündungen minimiert und den Körper, bzw. das ganze System entlastet, können vielleicht auch die Reizweiterleitungen wieder einfacher funktionieren. Dadurch, auch mithilfe der Nieren, könnte die Leistungsbereitschaft wieder steigen und die Energie fließen.
Fatigue-Prävention
Meine wichtigste Fatigue-Prävention ist das Energie-Management. Den Tagesablauf so zu planen, dass man die bekannten Schwierigkeiten umgehen kann, ist bei Fatigue wirklich notwendig. Nicht zu viele Aktivitäten auf einen Tag zu legen, ist ebenso wichtig, wie sich bestimmte Uhrzeiten für gewisse Vorhaben zu überlegen. Einkaufen in der Mittagshitze ist wenig sinnvoll – in dieser Zeit ist vielleicht ein Telefonat im kühlen Raum angenehmer. Vor allem sollte man immer so planen, dass kurzfristig umdisponiert werden kann. Das ist immer dann schwierig, wenn andere Personen mit in die Planung einbezogen werden müssen, aber man muss lernen, in erster Linie auf sein eigenes Befinden Rücksicht zu nehmen. Auch das ist nicht einfach, aber eine dringende Notwendigkeit.
Im Endeffekt muss jeder auch für sich selbst herausfinden, welche äußeren Umstände am ehesten als belastend empfunden und an welcher Stelle Probleme am besten angegangen werden können. Hilfreich ist es hierbei, ganz systematisch zu überprüfen, wer oder was mich am meisten belastet. Nicht immer sind es nur „Dinge“, sondern auch Freunde, die die Situation einfach nicht verstehen können oder wollen. Sich dies alles zu notieren, kann der erste Schritt zum lösungsorientierten Handeln sein.
Ein Beispiel dafür ist die emotionale Fatigue: Dies ist ein Fatigue-Anfall, der bei mir nach einer emotionalen Belastung oder Stress auftritt. Ein Streit, Hektik, psychischer Stress, Reizüberflutung – das sind klassische Auslöser. Diese Anfälle unterscheiden sich nicht von den anderen Fatigue-Attacken, aber wenn man nach solch einem Überfall zurückschaut, kann man meistens den Auslöser finden. Der gut gemeinte Rat, man solle diese Auslöser meiden, ergibt allerdings nur dann einen Sinn, wenn man den Stress freiwillig produziert hat, was bei mir ausgesprochen selten der Fall ist.
Das Zauberwort heißt „Achtsamkeit“ – sich selbst und anderen gegenüber. Auf sich und seine Bedürfnisse zu achten, ist bei Fatigue kein Egoismus (wenn es im normalen Rahmen passiert), sondern eine Notwendigkeit wie Essen und Trinken. Wenn man mit sich selbst achtsam und fürsorglich umgeht, kann man dieses Verhalten auch auf sein Gegenüber übertragen. Im Alltag bedeutet diese Achtsamkeit für mich: Ausruhen, Pausen einlegen und Energie-Management betreiben, BEVOR der Fatigue-Anfall kommt – und sollte er doch zuschlagen, dann möglichst gleich eine Pause einplanen.
Herzliche Grüße
Heike Führ
Weitere Informationen zu CBD und Fatigue findet ihr auf meinem Blog unter: http://multiple-arts.com/kann-cbd-bei-fatigue-helfen/.