Ungelöste Traumata, energetische Blockaden und ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit
Beate Eichmeier, Blickpunkt-Ausgabe 04/2024
„Trauma führt zu einem chronischen Verlust von Sicherheit in allen Bereichen unseres Seins“. (Verena König)
Dass Ursachen für die eigene Erkrankung offensichtlich vielfältig sind und nicht genau benannt werden können, ist gerade für chronisch kranke Personen schwierig zu greifen. Denn es liegt in unserer Natur, Dinge zu vermeiden, die ursächlich und auslösend für Zustände sind, in denen wir uns nicht gut fühlen. Allein durch das Wissen und das anschließende Vermeiden dieses Auslösers haben wir das Gefühl, etwas Kontrolle zurückzubekommen. Gerade in Situationen wie der Diagnosestellung, in denen wir häufig das Gefühl des absoluten Kontrollverlustes erleben, gibt uns das Sicherheit und einen ersten Anhaltspunkt. Können auch ungelöste Traumata und energetische Blockaden Mitauslöser einer chronischen Erkrankung wie der MS sein? Aus meiner Erfahrung heraus durchaus. Auch die allgemein zugängliche Studienlage weist auf so einen Zusammenhang hin.
Trauma und Kontrollverlust
Als Trauma (altgriechisch: τραύμα, Wunde) wird in der Psychologie analog zum Trauma in der Medizin eine seelische Verletzung bezeichnet, die durch einschneidende, extrem belastende Erlebnisse, zu denen etwa Missbrauch und Gewalt, andauernde Vernachlässigung, Mobbing, aber auch Naturkatastrophen, Unfälle, Kriegserlebnisse oder das Miterleben von Gewalt (auch im Fernsehen), Operationen oder eine lebensverändernde Diagnose zählen können, hervorgerufen werden. Betroffene erleben dabei starke Angst oder Schutzlosigkeit, Entsetzen, Hilflosigkeit und einen Kontrollverlust. Das Gefühl einer tiefen Verzweiflung ist die Folge.
Es gibt unterschiedliche Kategorien von Traumata. Bei dem etablierten Begriff des Schocktrauma handelt es sich um einzelne belastende Ereignisse, deren Verarbeitung im Moment des Geschehens unsere Kapazitäten übersteigt. Allerdings lassen sich nicht alle Symptome, die bei Menschen auftauchen, auf einen Schock zurückführen, sondern deuten auf tiefere und ältere Traumatisierungen hin, die eine völlig andere Wirkung in Körper und Psyche hinterlassen. Situationen in der Kindheit, die sich über einen langen Zeitraum wiederholen, wie z. B. unberechenbare oder emotional oder physisch nicht verfügbare Bezugspersonen, können ebenfalls Traumata zur Folge haben. Dazu gibt es in der Fachwelt erste Ansätze zu dem Begriff des Entwicklungstrauma.
Ein Sekundärtrauma können Menschen erfahren, die Zeuge von furchtbaren Ereignissen werden, und betrifft das traumatische Ereignis viele Menschen oder eine bestimmte Gruppe, bezeichnet man dies als ein soziales Trauma. Wenn traumatisierte Menschen ihre Probleme schließlich an Nachkommen weitergeben, indem sie über Erlebtes schweigen, spricht man auch von einem transgenerationalen Trauma.
In jedem Fall können sich Traumatisierungen in sogenannte Traumafolgestörungen niederschlagen, wenn die Traumata schwer oder gar nicht bewältigt werden können. Zu nennen sind hier etwa die Entwicklung einer Depression oder Angststörung oder den sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), bei denen dem unkontrollierten Wiedererleben (etwa durch Flashbacks oder Albträume) Vermeidungssymptome entgegenstehen, die sich schleichend u. a. in der Verdrängung, einer emotionalen Gleichgültigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, einer erhöhten Alarmbereitschaft oder Schreckhaftigkeit zeigen können.
Entstehung energetischer Blockaden
Im Tierreich ist häufig zu beobachten, dass nach Kämpfen zwischen den Tieren oftmals überschüssige Energie abgeschüttelt werden muss und die Tiere dazu eine Zeit lang nach dem Konflikt noch aufgeregt hin- und herflattern oder -rennen, um ihr Nervensystem zu beruhigen und sich damit aus dem Kampfmodus zu lösen. Flucht, Kampf oder Erstarrung sind auch unsere angeborenen Überlebensstrategien, die mit der Aktivierung des sympathischen Nervensystems einhergehen und eine physiologische Stressreaktion hervorrufen, die sich normalerweise nach Minuten oder Stunden wieder abbaut. Ist das durch das traumatische Erleben nicht der Fall, können wir in einer Art Alarmzustand, einem Dauerstress verbleiben. So gibt es häufig keine Gelegenheit, die in dieser für uns als bedrohlich empfundenen Situation mobilisierte Energie bzw. den Stress, den dieses Ereignis ausgelöst hat, wieder loszuwerden. Kann sich die Energie nicht entladen, bleibt sie häufig viele Jahre in unserem Nervensystem gebunden und löst Blockaden aus.
Die eigenen Muster erkennen
In einem solchen Zustand scheinen Gefahren an jeder Ecke zu lauern. Soziale Beziehungen werden z. B. aus Selbstschutz heruntergefahren, das Hören und Folgen der Worte des Gegenübers sowie Blickkontakt fallen oft schwer. Oft verspüren Menschen mit einem Trauma eine starke Einsamkeit und erachten gleichzeitig unbewusst den Kontakt mit anderen als potenziell gefährlich.
Die eigenen Bewältigungsmuster können vielfältig sein. So meidet ein Kind, welches Zurückweisung erfahren hat und nicht gesehen wurde, im späteren Leben vielleicht unbewusst soziale Kontakte, um diesen Schmerz der Zurückweisung und des Nicht-Gesehenwerdens nicht mehr fühlen zu müssen. Eine andere Bewältigungsstrategie könnte sein, dass das Kind mit Überanpassung reagiert und zum „People Pleaser“ wird.
Situationen, welche den Menschen potenziell mit diesem traumatischen Gefühl in Verbindung bringen könnten, werden gemieden – es bildet und festigt sich hier oft auch eine Art Spirale, die sich durch Vermeidung, Rückzug oder Aufopferung für andere kennzeichnet.
Sich der eigenen Muster und unbewusst ablaufenden Prozesse bewusst zu werden, ist oft der Beginn eines heilsamen Prozesses. Aufgrund unserer starken Überlebensreaktionen bedarf es dazu aber zumeist einer professionellen Begleitung und Unterstützung. Im Rahmen einer Psycho- oder Traumatherapie, einem traumasensiblen Coaching etc. können diese Themen im eigenen Tempo aufgearbeitet werden. Das „eigene Tempo“ halte ich persönlich hier für sehr wichtig, neigen wir Menschen doch ohnehin schon dazu, uns zu häufig mit anderen zu vergleichen und entsprechend anzupassen.
In den verschiedenen Phasen einer Traumatherapie lernen Betroffene, sich zu stabilisieren, die Traumata aufzuarbeiten, nicht mehr rückgängig zu machende Erlebnisse zu akzeptieren sowie neue Lebensperspektiven aufzubauen. Der Traumatherapeut Peter A. Levine sieht Traumasymptome vor allem als blockierte Energie, die sich seiner Ansicht nach besser über den Körper (im Rahmen der Methode des Somatic Experiencing) als über die Seele heilen lassen.
Höheres Risiko für MS-Erkrankung nach Kindheitstraumata
Im Jahr 2009 lieferte eine Studie der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC, Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention) Anhaltspunkte dafür, dass Menschen, die in ihrer Kindheit Traumata erlebt haben, ein umso höheres Risiko für eine spätere Autoimmunerkrankung haben. Norwegische Forschende konnten das einige Jahre später weiter belegen. Ihren Ergebnissen zufolge stieg das Risiko bei von traumatischen Erlebnissen wie Missbrauch oder Vernachlässigung betroffenen Frauen sogar um über 65 %, im späteren Verlauf des Lebens an MS zu erkranken. Auch der kanadische Mediziner Gabor Maté zeigt in seinen Büchern den Zusammenhang zwischen Trauma, Stress und chronischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose auf: Gehirn- und Körpersysteme, die Emotionen verarbeiten, sind eng mit dem Hormonsystem, dem Nervensystem und insbesondere dem Immunsystem verbunden. Gerade der (versteckte, unbewusste) emotionale Stress schwächt das Immunsystem, stört das physiologische Gleichgewicht des Körpers und kann zu einem wesentlichen prädisponierenden Faktor für die Entstehung von Krankheiten wie der MS werden.
Den chronischen Stress senken
Traumata sind extreme Arten von Stress. Der Körper lebt mitunter sehr lange Zeit in einem chronischen Stressmodus. Dieser andauernde Stress kann auf lange Sicht auch körperliche und psychische Symptome und Krankheiten hervorrufen. Insofern erscheint es nur logisch, dass eigene Traumata und energetische Blockaden sich auch körperlich auf unsere Gesundheit auswirken. Denn erst eine Verarbeitung dieser oft jahrelang unterdrückten Emotionen ermöglicht es, das chronische Stresslevel im Körper zu senken.
Doch nicht nur körperliche Gesundheit kann dadurch wieder hergestellt werden, sondern darüber hinaus sind auch viele weitere positive Auswirkungen in unserem Leben möglich. Dies kann sich in einer veränderten Wahrnehmung des Lebensumfelds, verbesserten Beziehungen oder aber auch einem besseren Zugang zum eigenen Körper oder der eigenen Intuition zeigen.
Quellen und weitere Informationen
Charf, D. Was ist ein Trauma?, abrufbar im Internet unter www.traumaheilung.de/was-ist-ein-trauma.
Dahlke, R. 1992. Krankheiten als Sprache der Seele. Be-Deutung und Chance der Krankheitsbilder. München: Goldmann.
Dube, S.R. et al. 2009. Cumulative childhood stress and autoimmune diseases in adults, abrufbar im Internet unter www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19188532/.
Eid, K. et al. 2022. Association of adverse childhood experiences with the development of multiple sclerosis, abrufbar im Internet unter www.pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35379699/.
Freudenberg, S. 2015. Die Seele als Coach. Verantwortlich und authentisch leben. München: Trinity.
Hay, L. L. 2015. Gesundheit für Körper & Seele. Berlin: Allegria.
König, V. 2024. Trauma & Beziehungen. München: Arkana.
Krohne, H. 2004. Handbuch für heilende Hände. Das A-Z der Übertragung von Heilenergie. München: Ansata.
Martel, J. 2023. Mein Körper Barometer der Seele. Kirchzarten bei Freiburg: VAK.
Maté, G. 2020. Wenn der Körper Nein sagt. Kandern: Unimedica.
Somatic Experiencing Deutschland e. V. Dr. Peter A. Levine, abrufbar im Internet unter www.somatic-experiencing.de/was-ist-somatic-experiencing/peter-levine-und-die-geschichte-von-se.