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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Wie sich Innere-Kind-Heilung positiv auf unser Leben und unsere Gesundheit auswirken kann

Beate Eichmeier, Blickpunkt-Ausgabe 03/2023

Jeder Mensch trägt ein Inneres Kind in sich. Das Innere Kind bezeichnet Prägungen und Programme, die in unserer Kindheit durch Erfahrungen mit unseren Eltern oder anderen Bezugspersonen entstanden sind. Besonders negative Kindheitserlebnisse wie Verletzungen oder Kränkungen sind oft tief in unserem Unterbewusstsein verankert und wirken sich noch viele Jahre später auf unser Leben aus. Oftmals geschieht das, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Es kann sich z. B. in Form von Ängsten, Glaubenssätzen oder Reaktionsmustern bei Stress o. Ä. bemerkbar machen. Ein Mensch hat als Kind z. B. die Erfahrung gemacht, von den Eltern nicht gesehen zu werden, da er im Schatten eines Geschwisterkinds stand. Dieses Gefühl bzw. dieser innere Anteil wird auch im Erwachsenenalter nicht selten getriggert, z. B. dadurch, dass diese Person sich von Partner*in oder Freund*innen nicht ernstgenommen fühlt oder vom Chef bei der Beförderung übergangen wird. Auch kann es vorkommen, dass man sich stark anpasst, um anderen zu gefallen.

Anzeichen für ein verletztes Inneres Kind

Ein verwundetes Inneres Kind kann sich anhand von verschiedenen Verhaltensmustern oder Ängsten zeigen, etwa einer großen Angst vor dem Verlassenwerden, die sich u. a. in starker Unsicherheit oder in Abhängigkeiten widerspiegelt, der Missachtung der eigenen Grenzen oder der Unfähigkeit, die eigene Wahrheit zu sprechen. Schwierigkeiten, sich selbst und anderen Personen zu vertrauen, eine Neigung zur Sucht, Perfektionismus oder das Gefühl, niemanden enttäuschen zu wollen, sind oft weitere Anzeichen dafür. Ebenso können eine extreme Harmoniesucht oder eine starke Angepasstheit Hinweise sein. Dem Helfersyndrom kann z. B. eine Angst zugrunde liegen, wertlos zu sein, welche durch Anerkennung von außen zu beruhigen versucht wird. Auch Glaubenssätze über sich selbst können Signale für ein verwundetes Inneres Kind sein. Dann denkt die Person z. B. über sich, dass sie nicht existieren dürfe, etwas nicht schaffe, andere besser seien oder sie zu dumm, dünn, dick, hässlich etc. für etwas sei. Darin wurde sie vermutlich als Kind immer wieder durch das Verhalten der Eltern bestärkt und hat irgendwann dieses Glaubensmuster unabhängig von der Realität für sich übernommen.

Kontakt zum Inneren Kind aufnehmen

Bei diesen oder anderen Anzeichen kann es helfen, sich genauer mit dem eigenen Inneren Kind auseinanderzusetzen. Der erste Schritt ist häufig, anzuerkennen, dass in einem selbst ein Inneres Kind existiert, das in der Kindheit negative Prägungen und Verhaltensmuster von den eigenen Bezugspersonen „gelernt“ hat. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen an Eltern oder Vertrauenspersonen, sondern um das wertfreie Anerkennen dieser Tatsache.
Um Zugang zum eigenen Inneren Kind zu bekommen, kann es helfen, in Fotoalben aus der Kindheit zu blättern, sich gedanklich an einen als Kind vertrauten Ort zu begeben, dem Inneren Kind einen Brief zu schreiben oder mit ihm zu sprechen. Auch das Malen, Meditationen oder Fantasiereisen können dabei helfen. Zeigt sich das Kind einem dann, kann es liebevoll sein, aber auch abweisend, ängstlich, verschlossen oder es ruft um Hilfe. Wichtig ist, es so anzunehmen, wie es sich gerade zeigt und seine Gefühle ernst zu nehmen.
Zeigen Sie Ihrem Inneren Kind, wie auch immer es sich verhält, dass Sie für es da sind. Sei es, in dem Sie einfach nur präsent sind, neben ihm sitzen, mit ihm sprechen oder es in den Arm nehmen. Fühlen Sie mit Ihrem Inneren Kind Gefühle, die nun vielleicht wieder an die Oberfläche kommen und fragen Sie es, was es damals gebraucht hätte. Seien Sie Ihrem Kind nun der Vater oder die Mutter, den oder die es damals gebraucht hätte.
Eine andere Möglichkeit ist, gemeinsam mit dem Inneren Kind Kreativität und Leidenschaften aus der Kindheit auszuleben und ihm so Freude und Sicherheit zu schenken. Denn wie jedes andere Kind muss auch Ihr Inneres Kind Vertrauen zu Ihnen aufbauen, und da ist Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit wichtig. Innere-Kind-Arbeit ist also nichts, was mit ein paar „Treffen“ erledigt sein sollte, im Idealfall ist es eine Lebensaufgabe, die auch in Zusammenarbeit mit erfahrenen Therapeut*innen in Angriff genommen werden kann.

Auswirkungen von Innere-Kind-Arbeit

Meiner Erfahrung nach ist Innere-Kind-Arbeit eine der wertvollsten Methoden für eine persönliche Weiterentwicklung. Erst das Auseinandersetzen mit den eigenen Prägungen ermöglicht Transformation und das nachhaltige Ablegen alter Muster und Glaubenssätze. Der regelmäßige Kontakt mit dem Inneren Kind kann sich auf vielfältige Weise positiv auf unser Leben auswirken, so können wir z. B. wieder Anbindung an uns selbst erfahren und dadurch das Gefühl der Einsamkeit überwinden. Das Auseinandersetzen mit negativen Gefühlen und oftmals auch dem Weinen, um diese Energien loszulassen, fällt nach einiger Zeit meist nicht mehr so schwer.
Oft erfahren wir etwa als Kind über einen längeren Zeitraum das Gefühl „Ich bin nichts wert“ oder „Ich bin nicht gut genug“ – sei es durch Handlungen oder Äußerungen der Eltern oder anderer Bezugspersonen. In der Innere-Kind-Arbeit ist es möglich, an den Ursprung der negativen Glaubenssätze zurückzureisen und diese Erfahrungen durch neue, liebevollere Blickwinkel und Sichtweisen quasi zu überschreiben. Dadurch verändert sich das eigene Denken, etwa die Reaktionen auf Ereignisse im Außen, aber auch das Selbstwertgefühl kann gesteigert werden. Beziehungen zu anderen Menschen können dadurch positiv beeinflusst werden. Dies zeigt sich u. a. dadurch, dass das Bewusstsein für die eigenen Trigger gesteigert werden kann und die Schuld für unangenehme Gefühle nicht mehr im Außen gesucht wird, sondern das Außen als Spiegel des eigenen Inneren erkannt wird. Der Weg zu aufrichtiger Selbstliebe wird frei. Hier geht es vor allem darum, uns selbst anzunehmen, wie wir sind und gerade den Seiten in uns, die wir bis dato lieber verdrängt haben, in Liebe zu begegnen und unser Herz für diese verletzten Anteile zu öffnen.

Körperliche Symptome sagen uns etwas

Körperliche Symptome, z. B. in Form von Krankheiten, haben meist auch eine Botschaft hinter dem rein körperlichen Schmerz oder der Einschränkung. Oftmals verbergen sich dahinter seelische Konflikte, die auf ein verletztes Inneres Kind zurückgehen können. Beispiele für seelische Ursachen hinter körperlichen Symptomen können sein:

  • Blasenprobleme ⇒ Ungeweinte Tränen, die einen anderen Ausgang gewählt haben;
  • Darmprobleme ⇒ Probleme, bestimmte Ereignisse oder Gefühle zu verdauen und loszulassen;
  • Augenprobleme ⇒ Nicht genau hinsehen wollen oder die Augen vor etwas verschließen;
  • Entzündungen ⇒ Innerer Kampf mit Wut, nicht loslassen können.

Gelingt es durch Innere-Kind-Arbeit Themen, die für körperliche Beschwerden ursächlich sind, aufzulösen, können sich oftmals auch körperliche Beschwerden verringern oder gar verschwinden. Innere-Kind-Arbeit kann daher einen positiven Einfluss auf den Verlauf chronischer Erkrankungen wie die MS haben. Denn schon Erich Kästner wusste: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.“

Quellen und weitere Informationen